Er galt als einer der einflussreichsten Männer im Zarenreich – auch ganz abseits von Magie und Mythen.
Heute jährt sich der Tod von Grigori Rasputin zum 109. Mal. Kaum eine Figur des späten Zarenreichs ist bis heute so umstritten, mythenumwoben und kulturell präsent wie der sibirische Wanderprediger, der vom einfachen Bauern zum einflussreichen Vertrauten der russischen Zarenfamilie aufstieg – und schließlich gewaltsam starb.
Vom Mystiker zum höchsten Berater der Zarin
Rasputin wurde 1869 in einem kleinen Dorf in Sibirien geboren. Seine Jugend ist nur bruchstückhaft dokumentiert, doch früh entwickelte er eine intensive religiöse Prägung. Ohne kirchliches Amt zog er als Mystiker und Prediger durchs Land, predigte Buße, Glauben und spirituelle Ekstase. Seine charismatische Erscheinung, sein durchdringender Blick und seine Fähigkeit, Menschen emotional zu binden, verschafften ihm Anhänger – aber auch entschiedene Gegner. In einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche traf Rasputin den Nerv vieler Menschen, die nach Sinn und Heilung suchten.
Der entscheidende Wendepunkt seines Lebens war sein Eintritt in die höchsten Kreise des Zarenreichs. Am Hof von Zar Nikolaus II. und insbesondere seiner Frau Zarin Alexandra Fjodorowna gewann Rasputin außergewöhnliches Vertrauen. Der Grund lag vor allem in seiner scheinbaren Fähigkeit, die Blutungen des Thronfolgers Alexei Nikolajewitsch Romanow zu lindern, der an Hämophilie litt. Ob durch Hypnose, beruhigenden Einfluss oder schlichtes Verbot schädlicher Behandlungen – Rasputins Anwesenheit brachte dem Zarewitsch spürbare Erleichterung. Für die Zarin war er damit mehr als ein Berater: Er erschien ihr als von Gott gesandter Heiler.
Diese Nähe zur Macht machte Rasputin jedoch zur Reizfigur. In der Aristokratie und der Öffentlichkeit kursierten Gerüchte über moralische Ausschweifungen, sexuelle Exzesse und politischen Einfluss. Zeitungen und Pamphlete zeichneten das Bild eines dekadenten Dämonen, der das Reich von innen heraus zersetze. Historisch lässt sich vieles davon nicht belegen, doch unbestreitbar ist, dass Rasputins Rolle den Vertrauensverlust in die Monarchie weiter verstärkte – in einem Russland, das bereits unter Krieg, Armut und politischer Lähmung litt.
Der Mythos der Unsterblichkeit
In der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember 1916 endete Rasputins Leben gewaltsam. Eine Gruppe adliger Verschwörer um Felix Jussupow lockte ihn in einen Palast in Sankt Petersburg. Die Umstände seines Todes – Vergiftung, mehrere Schüsse und das Versenken seines Körpers im Fluss – wurden schnell zu Legenden ausgeschmückt und trugen entscheidend zu seinem Mythos bei. Sicher ist nur: Mit Rasputins Tod verschwand ein Symbol, nicht jedoch die Krise des Zarenreichs. Wenige Monate später fegte die Russische Revolution die Romanows hinweg.
Auch mehr als ein Jahrhundert später ist Rasputin allgegenwärtig. In der Popkultur lebt er als Archetyp des dunklen Mystikers weiter – halb Mensch, halb Mythos. Weltweite Bekanntheit erlangte er durch den Disco-Hit Rasputin, der ihn ironisch als verführerische, fast übermenschliche Figur zeichnet. Filme und Comics wie Hellboy, sowie zahlreiche weitere Serien, Romane und Videospiele greifen seinen Namen immer wieder auf, oft losgelöst von historischen Fakten. Besonders prägend war seine Darstellung als dämonischer Antagonist im Animationsfilm Anastasia, die sein Bild für Generationen festschrieb.
Am heutigen 30. Dezember 2025 erscheint Grigori Rasputin weniger als realer Machtpolitiker denn als Spiegel seiner Zeit. Für Historiker ist er Ausdruck einer Gesellschaft, die zwischen Glauben, Angst und Hoffnung schwankte. Für die Popkultur bleibt er eine Figur der Extreme – faszinierend, verstörend und unsterblich im kollektiven Gedächtnis. Sein Todestag erinnert nicht nur an das Ende eines Mannes, sondern an den nahenden Untergang einer ganzen Epoche.