Die wüste Einöde der deutschen Filmlandschaft.

Hier eine Frage zu Beginn: Was ist der letzte deutsche Horrorfilm, an den du dich erinnern kannst? Doch hierbei steht "Horror" eigentlich sinnbildlich für viele Genres. Im deutschen Kino findet sich kein Fantasy, Sci-Fi, Action oder sonst irgendein klassisches Genre wieder.
Stattdessen finden wir vor allem vier Genres in der deutschen Filmlandschaft:
- Die Feelgood-Komödie
- Der historische Problemfilm
- Das Fernsehdrama
- Der Fernsehkrimi
Vor allem die Feelgood-Komödie ist heutzutage wohl am meisten in den Kinos vertreten. Immer wieder verirren sich Filme wie Fack ju Göhte oder Klassentreffen 1.0 in die Lichtspielhäuser. Oscar-Material sind die wenigsten von ihnen und deutsche Filme haben einen gewissen Ruf, doch tatsächlich war das nicht immer so.
Der deutsche Film als Wegweiser

Heutzutage versuchen Filme so sehr ein realistisches Bild zu erzeugen, dass von kreativem Color-Grading, Kameraführung oder Lichteinfällen nicht die Rede sein kann. Doch seinen Ursprung fand der deutsche Film tatsächlich im Expressionismus des frühen 20. Jahrhunderts.
Vor dem Zweiten Weltkrieg trieften deutsche Filme vor Charakter, Aussagekraft und künstlerischer Freiheit. Mit Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens zum Beispiel, schaffte es Friedrich Wilhelm Murnau schon 1922 Bilder zu inszenieren, die noch heute durch Mark und Bein gehen. Ganz ohne Vertonung wurde hier darauf gesetzt, Szenen für sich sprechen zu lassen.
Auch der 1920 erschienene Das Cabinet des Dr. Caligari von Robert Wiene zeigte das künstlerische Schaffen des deutschen Films. Der Proto-Slasher war ironischerweise einer der ersten Filme, die sich dem Surrealen zuwandten und überall verrückte Architektur unterbrachte, die gleichzeitig ästhetisch und beunruhigend war.
Die Einflüsse von Caligari sind auch heute noch sehr gut zu erkennen. Der ganze Look vom legendären Regisseur Tim Burton scheint von Caligari inspiriert zu sein. Auch auf narrativer Ebene wurden sich in diesem Film viele Dinge getraut, die später immer wieder neu aufgegriffen und verwandelt wurden.
Dies sind nur zwei Beispiele von einigen Filmen, die die Filmkunst nachhaltig geprägt haben. Der 1927 erschienene Metropolis gilt unter anderem als einer der wichtigsten Science-Fiction-Filme aller Zeiten. Somit kam Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg dem Hollywood von heute sehr nahe.
Der Zweite Weltkrieg

Nach der Machtübernahme Hitlers veränderte sich auch viel für die Kunst und die Künstler. Viele Filmschaffende flohen aus Deutschland, wobei einige, wie zum Beispiel Fritz Lang und Marlene Dietrich, eine erfolgreiche Karriere in den USA fortführen konnten.
Es wurden darüber hinaus nur noch Filme zugelassen, die als ungefährlich für das NS-Regime eingestuft wurden. Neben Propagandafilmen waren dies auch seichte Unterhaltungsfilme.
Filme wie Die Feuerzangenbowle aus dem Jahr 1944 sind dabei entstanden, um dem NS-Regime in die Karten zu spielen. Denn hier wurde von dem tatsächlichen Horror des Krieges abgelenkt und eine ideale, heile Welt gezeichnet, die dem Volk unterschwellig sagte: "Für diese Idylle sind wir im Krieg". Somit wurden junge Soldaten unter anderem gelockt und motiviert.
Filme zum Vergessen
Der Zweite Weltkrieg fand sein Ende, doch den Menschen fiel es schwer, sich mit den Themen des Krieges und dem Horror auseinanderzusetzen. Viele wollten einfach nur vergessen und verlangten seichte Unterhaltung. Und die sollten sie auch bekommen.
Heutzutage kennen wir sie als Heimatfilme. Filme mit Heinz Erhardt, Heintje oder auch der Film Das Wirtshaus im Spessart waren der Renner der 50er und 60er Jahre. Oft ging es um Liebesgeschichten und melodramatische Handlungen. Gedreht wurden die Filme meist im Schwarzwald, den Alpen oder anderen Fleckchen, die vom Krieg unberührt blieben.
Alleine in den 50er Jahren wurden mehr als 300 dieser Heimatfilme gedreht.
Ab den 70er Jahren kamen dann noch pseudo-dokumentative Schmuddelfilme hinzu. Sie waren nicht nur billig zu produzieren, sondern lockten aufgrund der frühen Darstellung nackter Haut auf der Leinwand auch viele Menschen in die Kinos.
Doch das Verlangen nach Humor, der weder anecken noch etwas aussagen möchte, wurde weiter gewünscht. Beliebt war es dann auch, wenn Comedians wie Otto Waalkes oder Thomas Gottschalk ihre eigenen Kinofilme bekamen.
Die Filmkunst wurde dadurch natürlich geprägt und auch wenn keiner dieser Filme wohl einen Oscar verdient hätte, so sorgten sie dennoch für Umsatz an den Kinokassen. Und nicht nur zog sich das bis in die heutige Zeit, auch die Filmförderung möchte kein wirkliches Risiko eingehen.
Die Situation heute

Also ist der heutige Zustand des eher langweiligen und vor allem immer gleichen deutschen Films ein Resultat des letzten Jahrhunderts? Naja, ganz so einfach kann man es sich dabei auch nicht machen. Ein großes Mitspracherecht hat nämlich die deutsche Filmförderung.
Der deutsche Film lebt heutzutage von Fördergeldern. Ohne diese wäre es praktisch unmöglich, einen Film in Deutschland zu produzieren, da wir nicht solch große Studios wie Warner Bros. oder Disney haben, die die nötigen Gelder für Filme bereitstellen können.
Gleichzeitig ist die Bürokratie hinter den Fördergeldern auch unfassbar kompliziert und langwierig. Es kann bis zu sechs Jahre dauern, bis die Bearbeitung durch ist, ob nun ein Film Fördergelder erhält. Dabei werden vor allem Filme gefördert, die kein Risiko eingehen, denn sie müssen ja auch zu einem gewissen Grad lukrativ sein.
Ein weiteres Problem ist, dass Filme von Regisseuren direkt eine Förderung erhalten, wenn ihr letzter Film ein Erfolg war. Das erklärt auch, wieso Filme wie Manta Manta – Zwoter Teil mit 6 Millionen Euro gefördert werden, obwohl ihr Misserfolg und fehlende Relevanz abzusehen sind.
Wer die Fördergelder erhält, entscheiden am Ende Gremien oder teilweise auch Einzelpersonen. Das bedeutet, dass die deutsche Filmlandschaft von den Geschmäckern einiger weniger Personen diktiert wird. Personen, die selbst mit dem Erstellen von Filmen oft gar nichts zu tun haben.
Fazit

Es ist möglich, Variation in unsere wüste Filmlandschaft zu bringen. Anderer Länder wie Frankreich oder Spanien beweisen immer wieder aufs Neue, dass es kein Hollywood braucht. 2023 brachte Frankreich nicht nur Action-, Kriegs- und Abenteuerfilme in die Kinos, sondern auch den genialen Spinnenhorror Spiders – Ihr Biss ist der Tod (Vermine).
Auch in der deutschen Filmwelt passiert es gerne mal, dass die ein oder andere Perle entsteht. Die Förderung gibt es bereits seit den 50ern und trotzdem entstanden Genre-Filme wie Die unendliche Geschichte.
Dennoch scheint die deutsche Filmförderung zu viel Mitspracherecht zu haben und entscheidet viel zu oft aufgrund von wirtschaftlichem Interesse, eigenem Geschmack und den Gewohnheiten der deutschen Zuschauer. Dabei werden gerade einmal 20% der deutschen Kinotickets für deutsche Produktionen verkauft. Deutsche wollen nicht das immer gleiche, seichte und leicht verpackte Kino der heutigen Zeit. Es braucht wieder Filme, die sich etwas trauen und einen künstlerischen Mehrwert bieten.
Auch Netflix zeigt, wie es stattdessen aussehen könnte. Im internationalen Raum wird die deutsche Science-Fiction-Mystery-Serie Dark in die höchsten Ränge gelobt. Neben einigen Indie-Produktionen und Klassikern, ist die Bandbreite des deutschen Horrors zwar nicht sonderlich groß, aber intensiv und einprägsam.