Lebenssimulation ohne Leben: inZOIs größtes Problem

Tolle Grafik, starke Kreativ-Tools – aber die eigentliche Simulation wirkt immer noch wie ein nachträglicher Einfall.

Inzoi
Mehr Leben für ein wunderschönes Spiel? | © Krafton

Auf dem Papier hat inZOI alles, was es braucht, um ein ernstzunehmender Konkurrent im Genre der Lebenssimulationen zu werden: ein detaillierter Charaktereditor, moderne Grafik und ein eleganter, intuitiver Baumodus. Es wirkt stilvoll, durchdacht und mit viel Ambition umgesetzt. Doch sobald man unter die Oberfläche blickt, merkt man schnell, was fehlt: Leben.

Eine schöne Hülle ohne Kern

Eine Steam-Review bringt den aktuellen Zustand von inZOI perfekt auf den Punkt: „Jeden Text in diesem Spiel zu lesen, ist wie eine E-Mail von der HR-Abteilung zu bekommen, die von ChatGPT geschrieben wurde.“ Dieses künstliche, distanzierte Gefühl zieht sich durch das ganze Spielerlebnis. Das Spiel weiß nicht so recht, welchen Ton es treffen will – und landet stattdessen bei etwas Sterilem und Bürokratischem: glatt von außen, seltsam leer von innen.

Noch frustrierender ist, dass die grundlegenden Systeme einfach unfertig wirken. Fähigkeiten spielen kaum eine Rolle. Aktivitäten sind oberflächlich. Man kann stundenlang auf derselben Tomatenpflanze herumgießen, um Gartenarbeit zu maximieren. Kochen? Ein Teller auf einmal, danach ein einzelner Abwasch. Alles ist langsam, mechanisch und merkwürdig losgelöst von jeder Form von Realismus oder Spielfluss.

Auch soziale Interaktionen schneiden kaum besser ab. Es gibt keine Möglichkeit, zwanglos Zeit miteinander zu verbringen. Die meisten Interaktionen sind in steifen Menüs versteckt. Romantische Events wirken detailarm und emotional leer, und Beziehungen entwickeln sich absurd schnell – sogar schneller als in Die Sims, und dabei noch weniger bedeutsam. Alles fühlt sich an wie Platzhaltersysteme, die irgendwann ersetzt werden sollen.

Gemacht für Builder, nicht für Geschichtenerzähler

Aber: inZOI hat auch seine Stärken. Wer gerne baut oder visuell gestaltet, findet hier einiges zum Austoben. Der letzte Patch brachte 175 neue Baumodus-Objekte, zusätzliche Möbelkategorien und bessere Kamerawerkzeuge. Es gibt viel kreativen Spielraum – solange man sich auf Ästhetik und nicht auf Gameplay konzentriert.

Doch hier liegt der Knackpunkt: inZOI zielt direkt auf das Sims-Publikum. Und diese Community erwartet mehr als nur eine schöne Sandbox – sie will Systeme, die Storytelling ermöglichen, Charakterdynamiken abbilden, langfristige Entwicklungen bieten und emotional involvieren. All das fehlt inZOI derzeit noch. Zumindest: noch.

Das neueste Update ändert die Gleichung

Am 13. Juni veröffentlichte Krafton ein umfangreiches Update, das ein Wendepunkt sein könnte. Es bringt einige Verbesserungen für den Spielkomfort, neue Beziehungsfeatures – und am wichtigsten: offiziellen Modding-Support.

Das neue inZOI ModKit öffnet die Tür für Community-Inhalte. Spieler:innen können nun eigene Outfits und Möbel erstellen – und sogar Spielregeln verändern. Es gibt ein geführtes Interface für Einsteiger, Plugin-Unterstützung für Blender und Maya sowie eine integrierte Teilen-Funktion via CurseForge. Für eine Lebenssimulation, die noch nach ihrer Identität sucht, könnte diese Community-Infrastruktur ein echter Gamechanger sein.

Auch spielmechanisch tut sich etwas: Adoption, außereheliche Geburten, Teenager-Romanzen, emotionale Textnachrichten, Geschenke, unangekündigte Besuche von Zois – all das lässt die Spielwelt lebendiger wirken. Spieler:innen können jetzt Geschlechtsidentität und romantische Präferenzen freier festlegen, und Beziehungsdynamiken verändern sich im Verlauf spürbarer. Es ist kein kompletter Neustart, aber ein Schritt hin zu der Tiefe, die sich Fans seit Langem wünschen.

Wo wir gerade stehen

inZOI ist noch im Early Access – und das merkt man. Die Simulationsbasis wirkt unterentwickelt, und es fehlt das spielergetriebene Storytelling, das gute Lebenssimulationen auszeichnet. Doch mit dem jüngsten Patch zeigt das Spiel erstmals echte Wachstumsanzeichen. Es hört auf Feedback, erweitert Funktionen und gibt den Spieler:innen mehr Kontrolle.

Auf Steam steht es derzeit bei etwa 3,5 Sternen – und das ist gerechtfertigt. Aber das neue Update gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Wenn Krafton diesen Kurs hält, den Modding-Support weiter ausbaut und die Gameplay-Systeme vertieft, könnte inZOI am Ende doch noch die Lebenssimulation werden, die es sein will.

Johanna Goebel

Johanna studiert Online-Redaktion in Köln und ist schon seit dem Kleinkindalter in der Gamingwelt unterwegs. Ihr Herz schlägt für Open-Worlds, Action- oder Fantasy-RPGs und Third-Person-Shooter mit guten Storylines und (un-)charmanten Charakteren....