The Witcher 3 ist dieses Jahr 10 Jahre alt geworden und es besteht immer noch den Test der Zeit.
Vor 10 Jahren hat mein 16-jähriges Ich das erste Mal The Witcher 3 gespielt und es war fantastisch. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie so viel Spaß an der Geschichte eines Spiels gehabt. Als ich dann allerdings meinen Playthrough beendet hatte, war ich auch durch mit dem Spiel. Dadurch hatte ich allerdings nie die DLCs gespielt und nun im Jahr 2025 bin ich zu dem Spiel zurückgekehrt, um das nachzuholen und meine Güte bin ich froh, das gemacht zu haben.
Story und Entscheidungen: Das Herz von The Witcher 3
Die Story von The Witcher 3 ist einfach etwas Besonderes. Nicht nur, weil es unglaublich atmosphärisch ist, Ciri durch die Welt des Spiels hinterherzujagen, sondern auch, weil die kleinen Geschichten auf dem Weg so faszinierend sind. Wenn ich die Quest des Roten Barons anspreche, dann weiß absolut jeder, der das Spiel mal gespielt hat, was ich meine. Das ist eine Quest, die so gut ist, dass sie quasi fester Bestandteil des kollektiven RPG-Gedächtnisses ist.
Aber warum ist es gerade diese Quest? Meiner Meinung nach ist sie das perfekte Beispiel dafür, worin The Witcher 3 brilliert: das Gefühl, durchgehend bedeutungsvolle Entscheidungen zu treffen, die die Story des Spiels wirklich beeinflussen und nicht nur die nächste Antwort eines NPCs leicht verändern. Die Quest des Roten Barons veranschaulicht das perfekt.
Bei meiner Rückkehr habe ich mich mit einem Freund unterhalten, der das Spiel mittlerweile mehrere Male durchgespielt hatte. Er erzählte mir, was bei seinen Playthroughs in dieser Quest passiert war, und ich fragte mich, wie er das denn geschafft hatte. Denn mein Ende der Quest sah komplett anders aus. Genau dadurch werden zwei Punkte sehr deutlich: Erstens lässt dich das Spiel ständig Entscheidungen treffen, von denen manche sehr banal wirken, aber spürbare Konsequenzen haben, während andere total wichtig erscheinen, aber am Ende nicht die ganze Story umkrempeln. Der zweite und vielleicht sogar noch wichtigere Punkt ist, dass das Spiel einem wirklich schwere Entscheidungen zutraut. So gut wie nie wird man in diesem Spiel vor die Wahl gestellt, ob man jetzt die „gute“ oder die „böse“ Variante wählen will. Das Spiel stellt einen vor moralisch graue und damit schwierige Entscheidungen. Und auch wenn manchmal die Ergebnisse zum Haareraufen sind, weil es gefühlt einfach keine richtige Antwort gab, ist es genau das, was einen großen Teil des Reizes des Spiels ausmacht.
Auch ein großer Pluspunkt der Story sind die darin vorkommenden Charaktere. Ja, klar ist die wichtigste Frage für jeden Run, ob man nun eher Triss oder doch eher Yennefer romancen soll, aber die Story bietet weit mehr gut geschriebene Charaktere. Ein perfektes Beispiel dafür ist Dijkstra. Der ehemalige Spion, der mittlerweile einer der Bosse der Unterwelt von Novigrad ist, ist ein perfekter Charakter aufgrund seiner Dynamik mit Geralt, weil man merkt, dass beide sich nicht leiden können, aber dennoch zusammenarbeiten (zumindest in meinem Playthrough). Die beiden sticheln die ganze Zeit den jeweils anderen an, und es macht als Spieler einfach so viel Spaß, den Dialogen zwischen ihnen zuzuhören.
Ein ganz anderes Beispiel wäre Radovid. Der König Redaniens ist ein paranoider, fast schon irrer König, und dementsprechend reagieren auch die NPCs um ihn herum, was wiederum dich zu einigen schwierigen Entscheidungen zwingt.
Um den Kreis letztendlich zu schließen, kommen wir wieder zum Roten Baron, denn sein Charakter ist ein Paradebeispiel für die moralischen Grauzonen im Spiel. Auf der einen Seite ist er ein Mann, der ohne Frage schwere Fehler gemacht hat, um es mal sehr gemäßigt zu formulieren. Er ist nämlich ein Säufer, der seiner Frau gegenüber handgreiflich wurde. Es muss so schlimm gewesen sein, dass seine Frau und Tochter schließlich die Flucht vor ihm ergriffen haben.
Auf der anderen Seite wird er aber nicht nur als durch und durch böse Person dargestellt. Im Verlauf der Quest zeigt er Reue und gelobt, sich zu ändern. Das heißt nicht, dass man ihm einfach vergeben sollte, sondern vielmehr, dass die richtige Entscheidung in dieser Quest gar nicht so einfach zu treffen ist, sofern es überhaupt eine gibt. Natürlich will man auch eine Entscheidung treffen, die gut für seine Frau und Tochter ist, denn die beiden haben sich mittlerweile ihre eigenen Leben aufgebaut.
Das zeigt, wie grandios die Charaktere in diesem Spiel sind. Aber die großen Gesichter der Hauptgeschichte sind nicht das einzige, was dieses Spiel zu etwas Besonderem macht.
Warum die Open World der eigentliche Star des Spiels ist
Der wahre Star von The Witcher 3 ist keiner der oben genannten Charaktere, und auch Geralt selbst ist es nicht. Es ist die Open World und die schier unendlichen kleinen Geschichten, die sich in dieser Welt verbergen. Diese Welt ist überschwemmt von Nebeninhalten. Klar, die ganzen Fragezeichen auf der Karte können etwas ermüdend sein abzuarbeiten, aber selbst da gibt es ab und zu eine kleine Schatzsuche mit einem Text, der eine kleine Geschichte dazu erzählt. Das ist aber nur das Minimum.
Denn die Nebenquests in diesem Spiel sind erzählerisch wahrscheinlich das Beste, was ich bis heute in einem Videospiel erlebt habe. Das Einzige, was für mich da rankommt, ist Baldur’s Gate 3. Jeder noch so kleine NPC hat eine Persönlichkeit. Die Figuren erzählen dir, was ihre Motivationen sind, woher sie kommen oder warum sie gerade hier vor dir stehen. Dadurch wirkt die gesamte Welt so einmalig atmosphärisch. Die Aufgaben reichen von kleinen Gefallen für einfache Bürger bis hin zur Planung eines Attentats auf einen König. Das Verrückte daran ist, dass beides spannend ist, weil die Dialoge und selbst die unbedeutendsten Figuren einfach interessant sind.
Die Witcher-Aufträge sind ebenfalls ein Element, das dem Spiel einiges an Atmosphäre mitgibt. Man fühlt sich einfach wirklich wie ein Witcher, wenn man in eine Stadt oder in ein Dorf kommt und erstmal zur Holztafel geht, um zu checken, ob da vielleicht Aufträge für einen hängen. Dann erzählen einem die Auftraggeber noch einmal eine kleine Geschichte dazu, woraus Geralt dann meistens schon ziehen kann, worum es sich bei dem Monster handelt, oder der Auftraggeber sagt einem gleich, worum es sich handelt. Daraufhin kann man dann erst einmal sein Gehalt verhandeln, oder willst du lieber der absolute „Good Guy“ sein und die Leute gar nichts bezahlen lassen? In vielen Fällen ist das absolut möglich, und diese Freiheit, zu spielen und die Erlebnisse in der Welt zu lenken, gibt dem Spiel ein Gefühl, das bis heute für mich einmalig ist. So addieren sich all diese kleinen Geschichten zu einer großartigen und bis heute einzigartigen Open World.
The Witcher 3 ist charmant unperfekt
Auch wenn die vorherigen Teile es vielleicht vermuten lassen, ist The Witcher 3 alles andere als perfekt. Ich bin zwar absolut der Meinung, dass dieses Spiel immer noch auf der Höhe der Zeit ist, aber das Kampfsystem ist es definitiv nicht. Es ist solide, und es gibt auch viel schlechtere Kampfsysteme in anderen Spielen, aber ein Highlight? Sicherlich nicht. Genau so verhält es sich auch mit dem Buildcrafting. Es ist kein Meilenstein, aber eben solide.
Es gibt auch viele nervige Dinge in diesem Spiel. Allgemein fühlt sich das Movement im Spiel etwas sperrig an. Auch das Reiten auf dem Pferd und die unpräzise Steuerung können nerven. Hinzu kommt noch, dass Plötze gut und gerne mal auf irgendeinem Dach spawnt. Das ist zwar meistens lustig, aber manchmal auch einfach nur nervig. Ein anderes Beispiel für nervige Momente im Spiel sind Dialogoptionen, bei denen man sich für etwas entscheidet und Geralt dann etwas ganz anderes sagt, als man eigentlich wollte. Das kann einen schon mal aus der Immersion rauskegeln. Natürlich muss man auch zugeben, dass das Next-Gen-Update enorm geholfen hat. Wenn das Spiel heute noch so aussehen würde wie 2015, hätte ich deutlich mehr Schwierigkeiten gehabt, mich wieder komplett darin zu verlieren.
All das zeigt, dass auch dieses Spiel nicht perfekt ist, aber es ist verdammt nah dran. Und ich habe zum Beispiel gar nicht die DLCs erwähnt, die mich ursprünglich zur Rückkehr bewegt haben. Spoiler: Sie sind großartig. Dieses Spiel strotzt nur so vor Charakter und Seele, und meiner Meinung nach kann man einem solchen Spiel kein größeres Kompliment machen. Genau das ist auch der Grund, warum The Witcher 3 immer noch so ein verdammt gutes Spiel ist.