Ein 15-jähriger Computerfan, der 2006 an Leukämie starb, ist nun der erste Millennial, den die katholische Kirche heiliggesprochen hat.

Am 7. September 2025 sprach Papst Leo XIV. auf dem Petersplatz Carlo Acutis heilig – den ersten Millennial und „Cyber-Apostel“ der katholischen Kirche. Über 100.000 Gläubige verfolgten die Zeremonie. Doch hinter der Geschichte steckt mehr als nur ein jugendlicher Internet-Pionier des Glaubens – hier kommt der ganze Eisberg.
Ein Heiliger für die Generation Internet
Carlo Acutis wurde 1991 in London geboren und starb 2006 mit nur 15 Jahren an Leukämie. Schon als Kind fasziniert vom Computer, dokumentierte er auf einer selbstgebauten Website sogenannte eucharistische Wunder. Nach seiner Seligsprechung 2020 und neuen Heiligsprechung gilt er nun offiziell als Heiliger – und wird in den Medien als "Influencer Gottes" bezeichnet.
Zwischen Nerd- und Frömmigkeit
Acutis verband Alltag und Glauben auf ungewöhnliche Weise. Er programmierte Webseiten, engagierte sich in seiner Pfarrei – und schaute genauso gern Die Simpsons oder italienische Stand-up-Comedy. Manche Lehrer erinnerten sich an ihn als hilfsbereiten Freund, andere als Schüler, der abschrieb und störte. Sein Bild bleibt ambivalent: streng gläubig, aber auch ein ganz normaler Teenager.
Reliquien, Wunder und Zweifel
Carlo Acutis starb 2006 mit nur 15 Jahren an einer aggressiven Leukämie. Nach seiner Exhumierung 2019 hieß es in sozialen Medien, sein Körper sei „unversehrt“. Tatsächlich war er normal verwest und wurde mit Silikonmaske und Alltagskleidung rekonstruiert.
Den Weg zur Heiligsprechung ebneten zwei offiziell anerkannte Wunder: 2010 soll ein brasilianischer Junge von einer angeborenen Bauchspeicheldrüsenerkrankung geheilt worden sein, nachdem er eine Reliquie von Acutis berührt hatte. 2022 überlebte zudem eine Studentin aus Costa Rica nach einem schweren Fahrradunfall entgegen aller Prognosen; ihre Mutter hatte zuvor am Grab von Acutis gebetet.
Eine problematische Wunder-Sammlung
In Acutis’ Online-Katalog finden sich neben modernen Geschichten auch mittelalterliche "Wunder", die von angeblichen Hostienfreveln durch Juden berichten – Erzählungen, die historisch zu Pogromen führten. Kritiker:innen werfen der Kirche vor, dass solche antijüdischen Legenden im Heiligsprechungsprozess nicht ausreichend reflektiert wurden.
Fazit: Ein Heiliger mit Schattenseiten
Carlo Acutis ist der erste Heilige aus der Generation Y – ein Jugendlicher, der digitale Mittel für seinen Glauben einsetzte und als "Cyber-Apostel" in Erinnerung bleibt. Doch sein Vermächtnis ist widersprüchlich: Zwischen Reliquienkult und problematischen Wundergeschichten entsteht ein Bild, das mehrschichtig ist und auch kritische Fragen offenlässt.