Über eine fragwürdige Familie und eine vielleicht ebenso fragwürdige Berichterstattung zu ihr.
Die Ritters gehören wohl zu den bekanntesten Familien Deutschlands – allerdings nicht wirklich aus positiven Gründen. Nach dem die meisten Mitglieder aus den Stern TV Berichten in den letzten Jahren verstorben waren, war Ruhe um die Familie zwischen Hoffnungslosigkeit und blankem Rassimus eingekehrt – neue Beiträge über die nächste Generation ändern das nun. Auch zum Leidwesen der Ritters?
Menschliches Leid als Meme-Quelle
Seit den 1990er-Jahren begleitet Stern TV die Familie Ritter aus Köthen – eine Familie, die durch Armut, Arbeitslosigkeit und rechtsextreme Einstellungen traurige Bekanntheit erlangte. Was ursprünglich als Sozialreportage begann, entwickelte sich über Jahrzehnte zu einem wiederkehrenden TV-Phänomen, das Generationen von Zuschauern gleichermaßen schockierte wie faszinierte.
Im Internet haben sich die Ritters längst zu einem Meme-Kult entwickelt: Zitate, Szenen und Ausschnitte aus alten Stern-TV-Folgen kursieren in unzähligen Remix-Videos und Parodien. Ob ein gebrülltes "Raus mit die Viechers", die Sorge um "Normans Fische" oder das Gespräch zwischen YouTuber Gurkensohn und Karin Ritter, das deutschsprachige Internet ist voll mit der Familie.
Viele finden darin grotesken Humor, andere sehen darin eine schonungslose Abbildung deutscher Sozialrealität. Die „Memeisierung“ der Ritters zeigt, wie schnell echtes menschliches Leid in der digitalen Kultur zur Unterhaltung wird.
Gleichzeitig bleibt die gesellschaftliche Problematik zentral: Die Ritters stehen sinnbildlich für das Scheitern sozialer Strukturen, mangelnde Bildungschancen und generationenübergreifende Perspektivlosigkeit. Gewalt, Drogen, Rassismus und Hoffnungslosigkeit ziehen sich wie ein roter Faden durch die Familiengeschichte – und werfen Fragen danach auf, wie Medien, Politik und Gesellschaft mit solchen Fällen umgehen sollten.
Stern TV über die "neuen Ritters"
Mit den neuen Stern-TV-Reportagen erlebt die Familie Ritter nun ein mediales Comeback. Doch nicht alle begrüßen das: Kritische Stimmen werfen dem Format vor, die Ritters seit Jahren zur Schau zu stellen, anstatt echte Hilfe zu leisten. Zwischen dokumentarischer Aufklärung und voyeuristischer Unterhaltung verläuft eine schmale Grenze – und genau dort bewegt sich die Diskussion über die wohl berüchtigtste TV-Familie Deutschlands.
Diesmal stehen etwa Enkelin Jasmin und ihre Partner im Fokus und obwohl immer wieder die Rede von Besserung, Einsicht und einem Lebenswandel ist, die Bilder und Aussagen der Ritters sprechen eine andere Spache. Kritiker sagen, dass zwar das Narrativ gefüttert werden soll, dass die nächste Generation dem “Familien-Fluch” entkommen wollen würde, doch oftmals scheint das nur ein Vorwand dafür zu sein, dass man den Elendstourismus der letzten Jahre weiterbetreibt.
Als Indizien dafür sehen die Kommentatoren auch, dass die neue Reihe, die insgesamt sechs Episoden haben soll, durch ausführliche Rückblicke aus den alten Reportagen gestreckt sein. Doch auch die einstige Fassungslosigkeit, die die Berichterstattung begleitete, während eine Familie immer weiter in rechter Ideologie und der eigenen Ohnmacht versumpft, scheint verflogen. An ihrer Stelle steht nun die Suche nach neuem Meme-Potenzial im Vordergrund.
Skurrile Situationen wie die Aussage, dass man nur die Ausländer nicht möge, die dem Staat faul auf der Tasche liegen, nur um danach zu erklären, dass man selbst seit Jahren arbeitslos wäre, es aber die Schuld aller anderen sei, dass man nichts finde sind so zahlreich, dass man davon ausgehen muss, dass diese Kontraste ganz bewusst gewählt werden. Weniger, um die Widersprüche innerhalb der rechten Ideologie aufzuzeigen, als viel mehr, um zu untermalen, wie schlicht und simpel gestrickt die Familie Ritter und ihre Auswüchse doch seien.
Wo Berichte um und über die Familie als mahnendes Beispiel dafür fungieren könnten, wie sich Aussichtslosigkeit außerhalb des sozialen Auffangnetzes negativ auf Gesundheit, Bildung und Gesinnung von Menschen am Rande der Gesellschaft auswirken können, kommt das Gefühl auf, dass die Video-Reihe um die Ritters 2.0 lediglich dazu dienen sollen, den einstigen Hype um die Familie weiter auszunutzen.