Eine Gesetzeslücke sorgte dafür, dass eine TikTokerin aus einem 30-tägigen Airbnb-Aufenthalt einen monatelangen Besetzeralptraum machte.
Wenn es normalerweise darum geht, dass Vermieter ihre Mieter unter allen Umständen aus einer Immobilie bekommen wollen, hat man oft ein sehr typisches Bild der Situation im Kopf: Der Vermieter – am besten noch ganz wie im Cartoon mit Zylinder, Zwirbelbart und Monokel – stürmt Monat um Monat in die Behausung einer verarmten Familie, der er noch die letzten Krümel Brot abzieht, um sie dann ohne Hab und Gut vor die Tür zu setzen.
Doch was, wenn die Lage etwas anders geartet ist, wenn die Vermieterin nur ihr unrechtmäßig besetztes Haus zurückhaben möchte, die Rechtslage aber zunächst die Person schützt, die zum Besetzer wurde?
AirbnBesetzer
Vor wenigen Tagen wurden die Gerichtsakten zu einem Fall geschlossen, der seinen Anfang im Frühjahr 2024 nahm: Eine TikTokerin mietete via Airbnb ein Einfamilienhaus für 32 Tage – so weit, so ungewöhnlich.
Dann aber entschied sie sich auch nach Ablauf des vereinbarten Monats die Immobilie nicht zu verlassen, doch als die Eigentümerin die Polizei einschaltete, erklärte diese ihr, dass die junge Frau das Recht habe, zu bleiben.
Der Fall entfachte eine Diskussion, die nicht nur in Frage stellt, wie die Selbstdarstellung auf Social Media die gesellschaftliche Meinung verzerren kann, aber auch die Gesetzeslage in Washington, wo sich der Fall zutrug, kritisch beäugt.
Die Besetzerin – eine Influencerin namens Shadija Romero – berief sich auf rechtliche Schutzmechanismen, die in den USA in bestimmten Fällen Personen vor sofortiger Räumung bewahren sollen und erhielt zunächst sogar Recht.
Squatter Rights als juristische Grauzone
Die Polizei war dementsprechend zunächst machtlos und erklärten der verzweifelten Vermieterin Rochanne Douglas, dass das sogenannte "Squatter Right" im Grunde besagt, dass jemand für mehr als einen Monat in vermieteten Räumlichkeiten lebt, geduldet wird und Miete zahlt, diese Person nicht einfach wieder vor die Tür gesetzt werden kann.
Für die Eigentümerin des Hauses bedeutete dies, dass sie trotz klar abgelaufener Vereinbarung nicht einfach Zugang zu ihrem Eigentum erhielt. Damit begann ein juristischer Prozess, der sich über Wochen hinzog.
Im Mittelpunkt stand die Frage, ob eine Person, die über Airbnb für einen begrenzten Zeitraum gemietet hat, unter bestimmten Umständen als Mieterin mit entsprechenden Rechten gelten kann. In vielen US-Bundesstaaten – auch im District of Columbia – genießen Mieter einen starken Schutz vor Zwangsräumungen. Dieser Schutz greift jedoch in der Regel nur bei regulären Mietverträgen, nicht bei kurzfristigen Beherbergungsverhältnissen.
Selbstinszenierung als Opfer
Die Besetzerin lebte in der Zwischenzeit weiterhin ungestört in dem Haus und zeigte sich auf ihren Social Media-Kanälen als Opfer in dieser Situation – was ihr ihre Zuschauer zunächst auch glaubten.
Denn anfangs wirkte Shadija Romero mit ihrer Geschichte vertrauenswürdig. Die junge PoC-Frau und Mutter zweier Töchter, die ein Kleidungs-Unternehmen betreibt, das Teile seiner Einnahmen spendet, galt unter ihren Fans und diversen Magazin-Berichten zufolge als positives Beispiel der Gesellschaft – wobei die meisten dieser Berichte inzwischen aus dem Internet gelöscht wurden.
Daher glaubten ihr viele ihre Darstellung als Opfer mehrerer Schicksalsschläge und einer Vermieterin, die sich nicht an eine Vereinbarung halten wollte anfangs. Romero sprach davon, ihr altes Haus verlassen haben zu müssen, weil es dort zu einem Brand gekommen war und sie mit der Besitzerin ihrer aktuellen Unterkunft mündlich vereinbart hätte, zunächst weiterhin in dem Haus leben zu dürfen, sie in der Regel auch Miete gezahlt hätte, aufgrund einer kleinen, privaten Krise aber nicht immer rechtzeitig hätte zahlen können.
Darüber hinaus betonte sie, dass das Gericht ihr bisher ja Recht gab, in dem Haus wohnen zu bleiben, so dass für sie und ihre Follower klar war, dass es sich bei der Vermieterin Rochanne Douglas um "die Böse" handeln würde.
Die Wahrheit sah allerdings wohl etwas anders aus. Während sich Douglum eine Räumungsklage bemühte – in diesem Moment die einzige Möglichkeit, die ihr geblieben war – gingen mehrere Monate ins Land, weil ein erster Gerichtstermin erst für den 11. Dezember angesetzt war.
Die Wahrheit hinter der Influencer-Fassade
Douglas, die aufgrund ausbleibender Mieten von Romero in eine finanzielle Schieflage geraten war, bot in der Zwischenzeit sogar an, dass wenn die Besetzerin ihr 2.500 Dollar zahlen und ein Dokument unterschreiben würde, in welchem sie bestätigt, keine Mieterin gewesen zu sein, sie das Haus einfach verlassen könnte und Douglas die Klage zurückziehen würde.
Romero akzeptierte dieses Angebot, unterzeichnete die Dokumente und versprach, am 15. November ausgezogen zu sein. An genau diesem Datum allerdings meldete sie sich erneut bei Douglas und erklärte, dass sie ihre Meinung geändert hätte und Douglas tun solle, was sie tun müsse.
Ende November, kurz vor dem ersten Gerichtstermin, meldeten sich Nachbarn bei Douglas und berichteten davon, dass sie zugesehen hätten, wie die Besetzerin gemeinsam mit Freunden große Taschen aus dem Haus in ein Auto geladen hätten und davongefahren wären, was die Vermieterin hoffen ließ, dass Romero sich aus dem Staub machen wollte. Sie machte sich unmittelbar auf den Weg zu ihrem Besitz, ließ von einem Schlüsseldienst die Schlösser austauschen, vernagelte alle Fenster und nahm ihre Immobilie aus Sicherheitsgründen vom Stromnetz.
Während Douglas nun glaubte, dass der Besetzer-Spuk nach fast 9 Monaten ein Ende hätte und sie sich Gedanken darüber machte, wie mit der Immobilie weiter zu verfahren sei, kehrte Romero allerdings zurück und brach in das Haus ein.
Polizei gibt Besetzerin Recht
Die Vermieterin rückte mit der Polizei an – konnte vor Ort allerdings ihren Ohren nicht glauben: Die Polizei gab Romero Recht und gestattete ihr noch im selben Moment einen Schlüsseldienst zu rufen, der die Schlösser erneut und zu ihren Gunsten wechseln sollte. Zwar hatte Romero keinerlei Dokumente, die beweisen hätten könnten, dass sie dort wohnte – ihr selbstsichere Art schien die Polizisten in diesem Moment aber dennoch getäuscht zu haben.
Am Folgetag erhielt Romero in dem nun wieder besetzen Haus allerdings erneut Besuch: Diesmal vom Jugendamt. Sie hatte eine ihrer beiden Töchter mit in das Haus genommen, das aktuell jedoch nach wie vor nicht mit Strom versorgt wurde – für die Behörden ein nicht kinderfreundliches Umfeld.
Diese neuen Umstände führten zu einem Notfall-Prozess, der unmittelbar stattfinden sollte. Im Zuge dessen kamen noch weitere schockierende Dinge ans Licht.
Vor Gericht kommen noch mehr Wahrheiten zu Tage
So erklärte Douglas, dass sie von Romero bedroht worden war, und die Besetzerin ihr klargemacht hatte, dass sie bereit wäre, ihren Dienstwagen zu stehlen, wenn sie nicht zugeben würde, dass Romero die offizielle Besitzerin des Hauses wäre und sie sie zu einem anderen Zeitpunkt von einer Leiter gestoßen hatte, als Douglas an ihrer Immobilie ein Schild anbrachte, auf dem zu lesen war, dass die Bewohner des Hauses lediglich Besetzer waren.
Darüber hinaus kam ans Tageslicht, dass die vorherige Bleibe Romeros tatsächlich nicht wegen eines Brandes geräumt werden musste – das Haus war ebenfalls geräumt worden, nachdem Romero dem Vermieter 50.000 Dollar an Miete schuldig geblieben war.
Auch Romeros Social Media-Content sprach nicht gerade für sie und das Bild der verzweifelten Mutter, die nur eine Bleibe für sich und ihre Kinder suchte, denn dieser zeigte die TikTokerin bei diversen Events, einem Jamaica-Urlaub und als Promoterin ihrer Kleidermarke.
Am Ende entschied der Richter zu Gunsten von Douglas. Dabei bezog er sich unter anderem auf das Dokument, welches Romero unterschrieben hatte und bestätigte, niemals rechtmäßige Mieterin gewesen zu sein.
Airbnb reagiert
Am Folgetag musste Romero das Haus verlassen und als das Urteil in den Medien publik wurde, äußerte sich erstmals auch Airbnb zu der Thematik. Sie erklärten, dass ihr Einfluss sich nur auf Wohnverhältnisse beschränken würde, die im Zuge der Website vereinbart würden, alles, was sich nach den dort vereinbarten 30 Tagen abspielte, läge außerhalb ihrer Macht – dennoch gaben sie bekannt, Shadija Romero von ihren Diensten in Zukunft ausschließen zu wollen.
Dieser fast schon absurde Fall zeigt, wie leicht sich ein bestimmtes Narrativ in sozialen Medien aufbauen lässt, wenn die Konsumenten der Inhalte nicht beide Seiten der Situation betrachten und mit einer zu stark vorgefestigten Meinung ein Urteil treffen.
Darüber hinaus macht er jedoch auch deutlich, dass Gesetzeslücken und Grauzonen mit genug krimineller Energie so extrem ausgenutzt werden können, dass sich eine 30-Tage-Unterkunft zu einem mehr als ein Jahr andauernden Besetzer-Drama entwickeln kann, bei dem selbst Richter und Polizei zunächst nicht sagen können, wem nun Recht zu geben sei.