Ein verwirrendes Drama, irgendwo zwischen neuer Medienverantwortung und veralteten Gesetzen.
Das Liebesdrama zweier TikTokerinnen führte nicht nur zum Ende zweier Ehen sondern auch zu einer millionenschweren Klage.
1,75 Millionen wegen des Mannes einer anderen
Sind wir ehrlich: Wer hat sich nicht mal in die einen oder anderen Unkosten gestürzt, um einen besonderen Menschen zu erobern? Ein schickes essen, ein kostspieliges Geschenk, ein Strauß Blumen (die einen heute auch schon arm machen, habt ihr mal beim Floristen um die Ecke auf die Preise geschaut?). Aber 1,75 Millionen wegen dem Mann einer anderen? Damit steht Brenay Kennard wohl relativ alleine da.
Wie konnte es aber dazu kommen, dass die US-amerikanische Social-Media-Persönlichkeit aus Baltimore, die ihre Follower vor allem mit MakeUp- und Schönheitstipps erfreut, diese Summe zahlen musste?
Ein Gericht im Bundesstaat North Carolina verurteilte sie dazu die 1,75 Mio. US-Dollar an eine Frau zu zahlen, deren Mann Kennard für sich erobert hatte. Gerade weil die Situation so skurril scheint und sie damit eine der wohl ungewöhnlichsten zivilrechtlichen Klagen der US-Geschichte ausgelöst hatte, macht der Fall Schlagzeilen.
6 Tage Prozess – nur 90 Minuten Urteilsbesprechung
Laut Klägerin, Akira Montague, war es Brenay Kennard gelungen, die Ehe zwischen ihr und ihrem damaligen Ehemann Tim – der zugleich Kennards ehemaliger Manager war – zu zerstören.
Akira argumentierte, Kennard habe ihre Freundschaft ausgenutzt, um sich an ihren Ehemann heranzumachen: So habe die Influencerin von ihr persönliche Informationen erhalten (etwa über dessen notorische Untreue) und diese genutzt, um gezielt eine Affäre zu initiieren. Die Klageschrift wirft Kennard vor, bewusst "verführerisches Verhalten" an den Tag gelegt zu haben, wobei darin von "provokanter Kleidung" und ominösen "Zungenspielen" die Rede ist.
Das Gericht sah die Vorwürfe als eindeutig genug an und sprach Akira Montague eine Entschädigung von 1,5 Mio. US-Dollar für die Klage wegen "Alienation of Affection" (zu deutsch etwa "Entfremdung der Zuneigung") sowie 250.000 US-Dollar für Ehebruch zu. Kennards Antrag auf Abweisung der Klage im Vorfeld – etwa wegen angeblich unrechtlich beschaffter Beweise – wurde abgelehnt. Der Prozess dauerte sechs Tage; die Jury beriet nur rund 90 Minuten, bevor sie zugunsten der Klägerin entschied.
Der (Rechts-)Streit ging auf TikTok weiter
Zwischen den Terminen hatten beide Frauen ihre jeweiligen Follower mit Updates versorgt, redeten darüber, dass die Aussagen der jeweils anderen ausschließlich Lügen seien und dass die Wahrheit am Ende siegen würde. Die Fans schlugen sich dabei auf eine der beiden Seiten oder genossen einfach das Drama, welches sich vor ihren Augen entfaltete und bei der sich zwei Frauen wegen eines untreuen Mannes an die Gurgel gingen.
Kennard hatte vor Gericht auf einen Anwalt verzichtet, sich selbst vertreten und war damit katastrophal gescheitert. Sie beteuerte, dass die Ehe der Montagues längst am Ende war und sie nur noch wie Mitbewohner gelebt hätten – die Klage der betrogenen Ehefrau sei nur ein Versuch Geld zu erpressen.
Auch Tim Montague selbst behauptete, dass die gesamte Ehe von Beginn an auf wackligen Beinen gestanden hatte und sie damals "den billigsten Ring und das billigste Haus" gewählt hatten, welches sie fanden. Kennard glaubte sich siegessicher – dagegen sprachen mehr als 700 Seiten dokumentierter Beweise, die zum großen Teil aus Nachrichten zwischen Kennard und ihrer Affäre bestanden, aber auch teilweise ihre eigenen TikTok-Videos beinhalteten.
Als wäre dies alles nicht schon kompliziert genug, sagte auch der Ex-Mann von Kennard vor Gericht aus. Zur besagten Zeit der Affäre zwischen Brenay und Tim war dieser noch mit ihr verheiratet und beteuerte, dass seine Frau ihn ebenso betrogen hatte, wie Tim seine Ehepartnerin.
Zwischen alten Gesetzen und neuen sozialen Medien
Der Prozess, in dem sich zwei TikTokerinnen gegenüberstanden wurde von ihren Followern auch vor Ort zelebriert. Der Gerichtssaal war voll von weiteren jungen Frauen, die nach der Urteilsverkündung in Jubelschreie verfielen und die betrogene Ehefrau vor dem Gerichtsgebäude wie einen Popstar feierten.
Montague hatte zwar nicht die ursprünglich geforderte Summe von 3,5 Millionen erhalten, die sie verlangte, weil Kennard sie mit gemeinsamen Videos von sich und dem Noch-Ehemann der Klägerin emotional unter Druck gesetzt und in einigen Clips auch die gemeinsamen Kinder präsentiert hatte, war mit der Hälfte aber offensichtlich dennoch mehr als zufrieden.
Der Fall ist aber nicht nur deswegen so faszinierend, sondern auch, weil hierbei ein Gesetz geltend gemacht wurde, dass seit langer Zeit nicht mehr in Kraft trat: Die "Alienation of Affection"‐Klage existieren nur noch in wenigen US-Bundesstaaten, darunter North Carolina. Aufgrund dieses Präzedenzfalls wird diskutiert, ob diese alten Gesetze noch zeitgemäß sind – gerade in einer Ära, in der Beziehungen immer weniger nach festen Strukturen und häufig öffentlich über Social Media geführt werden.
Ein Signal für alle Influencer
Auch wenn der Fall an sich einzigartig und recht bizarr ist, so ist er für die Social-Media-Welt dennoch ein Signal: Wer öffentlich lebt und auch private Beziehungen wie Affären für seinen Inhalten nutzt oder darstellt, steht immer im Fokus. Gegenüber den eigenen Followern aber auch dem eigenen Umfeld und macht sich dadurch selbst auf Gesetzesebene angreifbar.
Für Brenay Kennard bedeutet das Urteil nicht nur eine hohe finanzielle Belastung, sondern womöglich auch nachhaltige Auswirkungen auf ihre Online-Präsenz und Reputation und stellt die Frage in den Raum, ob es manchmal vielleicht besser wäre, eben doch nicht alles mit dem Internet zu teilen.