Nachdem Steam Erwachsenen-Spiele bannt – Spieler überlasten Mastercard und Visa Hotlines

Steam und Itch.io entfernten Spiele mit sexuellen Inhalten, was Proteste auslöste. Marginalisierte Gruppen geraten ins Kreuzfeuer.

No Mercy Steam Protest
Das kontroverse Spiel No Mercy wurde zurecht entfernt, doch das brachte den ersten Stein ins Rollen. | © Zerat Games

In den letzten Wochen haben Steam und Ich.io ihre Richtlinien angepasst und einige Spiele von ihren Plattformen entfernt. Dabei handelt es sich vor allem um Spiele mit sexuellen oder gewaltvollen Inhalten. Die neue Richtlinien scheint vor allem entstanden zu sein, nachdem Zahlungsabwickler wie Visa und Mastercard Druck ausübten, da sie folgendes verbietet.

Inhalte, die gegen die Regeln und Standards der Zahlungsabwickler von Steam verstoßen könnten.

Dies führte nun dazu, dass viele Spieler ihren Protest kundtun und vor allem in Frage stellen wie viel Einfluss Zahlungsabwickler nehmen dürfen. Dabei gehen sie überraschend organisiert vor und legen vor allem die Service Hotlines von Visa und Mastercard lahm.

Viele Spieler mobilisieren sich auf Reddit oder Bluesky und posten sogar Anleitungen, wie man am Besten den Kundensupport der Payment-Riesen erreicht, um sie am effektivsten zu überlasten. Auch Vorlagen für E-Mails und Telefonskripte wurden hochgeladen.

Collective Shout – Der Auslöser

Der Auslöser für die Änderung der Richtlinien war die Bürgerinitiative Collective Shout. Diese bekämpfen die Objektifizierung Frauen und die Sexualisierung von Mädchen. Collective Shout wandte sich an Steam um das geschmacklose Spiel No Mercy aus dem Store zu entfernen. Das Spiel verherrlicht unter anderem ganz klar sexuelle Gewalt.

Während Steam die vielen Mails seitens Collective Shout ignorierte, schafften sie es das Spiel auf andere Wege zu entfernen. Dennoch wandten sie sich an die Zahlungsabwickler, da ihnen viele weitere problematische Spiele auffielen. Sie erklärten den Unternehmen, dass es rufschädigend sei, von Spielen dieser Art zu profitieren.

Collective Shout's Bemühungen trugen Fürchte, denn die Zahlungsabwickler schienen jetzt mehr Druck auf Steam auszuüben.

Problematik der neuen Richtlinie

Während der Wunsch nach einer neuen Richtlinie seitens Collective Shout nachvollziehbar ist, so ist die Umsetzung von Steam doch eher fragwürdig. Bei den abertausenden Spielen, die von der Plattform entfernt werden, sind Spiele dabei, die sexuelle Darstellung, explizite Gewalt oder vulgäre Sprache enthalten.

Doch was ist mit Content, der fälschlicherweise als "nicht jugendfrei" oder "unangebracht" markiert wird. Vor allem LGBTQ+ Spiele sind oft Opfer davon und viele Teile der Community fürchten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch diese von den neuen Richtlinien betroffen sind.

In einem beliebten Bluesky Post beschreibt der User NoahFuel_Gaming es als

Die stille Normalisierung der finanziellen Zensur und sie wird LGBTQ+-Spielen und -Entwicklern schaden.

Denn die offene Formulierung der Richtlinie stellt ein weiteres Problem dar. Sie verweist auf die Regeln und Standards der Zahlungsabwickler, anstatt selbst klar zu formulieren welche Art von "nicht jugendfreien" Inhalten genau unerwünscht sind. Dadurch bekommen Firmen wie Visa und Mastercard einen Hebel, mit dem sie einen klaren Einfluss darauf haben, welche Spiele sie von der Plattform entfernen möchten.

Es wird auch überhaupt nicht einsehbar, welche Inhalte genau die Zahlungsabwickler als "unangebracht" ansehen, was die berechtigte Sorge aufbringt, dass Spiele willkürlich und ohne Transparenz entfernt werden können.

Feministisches Horror-Spiel bereits entfernt

Im Zuge der neuen Richtlinien wurde das feministische Indi-Spiel Vile: Exhumed von Steam aufgrund seiner implizierten sexuellen Inhalte entfernt. Das Spiel behandelt das Thema der misogynen Anmaßungen die vielen Männern in der heutigen Zeit innewohnt. Vile: Exhumed ist allerdings ein reines Text-basiertes Horrorspiel, was bedeutet die sexuellen Inhalte haben keine visuelle Komponente, bis auf implizite Fotos der Entwicklerin selbst.

Die Entwicklerin Cara Cadaver geht auf X darauf ein, dass sie nicht gewillt ist, das Spiel anzupassen. Sie möchte sich nicht nach Leuten richten, deren Ziel es ist Kunst zu zensieren. Vor allem da Themen wie diese es verdient haben, offen und in seiner ganzen emotionalen Tragweite angesprochen zu werden.

Kunst darf anzüglich sein

Sind "nicht jugendfreie" Inhalte automatisch schlecht? Dient sexueller Content immer einem niederen Trieb? Es gibt genügend Spiele, die das Gegenteil beweisen. Oft setzen sich Entwickler auf künstlerische Art mit diesen Themen auseinander. Sie klären auf, repräsentieren marginalisierte Gruppen, und enttabuisieren das Thema.

Aktuell gibt es verschiedene Petitionen die gegen die Zensur von Inhalten vorgehen. Solange diese Inhalte gegen keine Gesetze oder interne Richtlinien verstoßen, sollen Rezipienten selbst einschätzen können, wie sie sich damit auseinandersetzen. "Stop Controlling what we can watch, read, or play" hat bereits an die 200.000 Unterschriften gesammelt.

Die falschen im Visier

Wichtig anzumerken ist, dass Collective Shout ein nobles Ziel verfolgte, als sie gegen die Verherrlichung sexueller Gewalt in Spielen vorgingen. Denn diese Art von sexuellem Inhalt dient lediglich der Reproduktion frauenfeindlicher Narrative und sollte in keinem Fall unterstütz werden. Tankard Reist – Gründerin der Initiative Collective Shout – erhielt in Folge der neuen Richtlinie eine Welle an Drohungen.

Nachdem Itch.io nun 20.000 NSFW Spiele aus dem Store nahm, wurde deutlich, dass sie weit über das Ziel von Collective Shout hinausschossen. Die Drohungen und der Hass gegen Collective Shout und Reist wurden somit weiter befeuert. Klar ist, es braucht bessere Richtlinien, die marginalisierte Gruppen schützt, ohne ihre Stimmen zu verstummen oder Zahlungsabwicklern Entscheidungsrechte zu geben.

Nico Gronau

Nico liebt die vielen kleinen Details, die in ihrer Gesamtheit Welten und Geschichten ergeben, in die man förmlich eintaucht....