"Meine Woche hat 21 Tage": Influencer behauptet er kann Zeit manipulieren

So behauptet der Influencer, seine Zeit zu verlängern...

Influencer Verbiegt die Zeit
Mylett kann die Zeit verschieben... oder eben die Wahrheit. | © YouTube

Wasser, Erde, Feuer, Luft. Vor langer Zeit lebten alle vier Nationen zusammen in Harmonie. Doch dann erklärte uns ein Influencer, dass er zwar nicht der Avatar sei, aber die Fähigkeit des Time-Bendings beherrsche.

Verbiegen der Zeit oder kerzengrade Lügen?

Ed Mylett ist Influencer. Aber nicht so auf dem Level von “Ich zeige euch, wie ich einkaufen gehe”, sondern eher so “Gebt mir Geld damit ich euch anschreie und dann nennen wir das ‘Coaching’".

Worauf sein Coaching besteht? Mylett behauptet, er könne die Zeit manipulieren. Seine Woche habe 21 Tage und alle, die sich seine Coachings, Bücher und sonstigen Produkte kaufen, könnten dies auch erlernen.

Meine Woche hat 21 Tage. Erweitere das auf einen ganzen Monat und ich trete dir in den Hintern. Erweitere das auf ein ganzes Jahr du bist Toast. Erweitere das auf fünf Jahre und mein ganzes Leben ist anders, als es sonst gewesen wäre.

Damit tritt er in Shows und Podcasts auf, hält Buchvorstellungen oder Workshops – und all das meist im Umfeld anderer Lifecoaches und Financial Bros, deren Job es ist, unsicheren, meist männlichen Käufer einzureden, dass ihr Leben der reinste Fehlschlag sei und sie die absoluten Loser seien – außer, sie würden nun jetzt sofort ihr Portemonnaie zücken um einen Batzen Geld auf den Tisch zu legen.

Wie manipuliert Mylett die Zeit?

Doch wie hat der Amerikaner sich seine Zeitmanipulations-Fähigkeit erarbeitet? Wurde er von einem radioaktiven Wecker gebissen? Lebte er für Jahrzehnte zurückgezogen in einer Höhle und weckte damit die tief in ihm schlummernden, verborgenen Kräfte? Wurde er auf dem höchsten Gipfel des höchsten Berges von einem alten weißen Mann in längst vergessenen Künsten ausgebildet, die Zeit und Raum verändern können?

Fast: Er hat sich einen Stundenplan gekauft.

Das große Geheimnis hinter Mylett Time-Bending ist eine Umstrukturierung seines Tages. Statt morgens aufzustehen und dann den Tag so zu nutzen, wie er vor ihm liegt, teilt er sich jeden Tag in drei Sechs-Stunden-Intervalle auf.

Sein erster Tag beginnt um 6 Uhr morgens und geht bis Mittag. Der zweite Tag geht von Mittag bis 18 Uhr, und der letzte von 18 bis 24 Uhr. Nach sechs Stunden Schlaf beginnen dann seine nächsten drei Tage.

Ein so schlichtes wie unsinniges Prinzip – und dennoch verkauft Mylett es als die größte Revolution der Menschheit, seit es Eieruhren gibt, die wie ein Schwein, eine Kuh oder ein Huhn geformt sind.

Höhlenmenschen vor 300 Jahren

Besonders amüsant dabei: All die anderen Coaches und Finanz-Influencer, mit denen er zusammenarbeitet, müssen dies als absolut stimmt und richtig abnicken, weil diese gesamte Community darauf aufgebaut ist, sich gegenseitig als die größten Genies und Macher abzufeiern, um weitere arme Typen in ihre Fänge zu bekommen und ihres Geldes zu scammen.

Wenn er also sagt, dass es Blödsinn wäre, davon auszugehen, dass ein Tag 24 Stunden hätte, wie das vor 300 Jahren die Steinzeitmenschen glaubten, müssen seine Podcast-Partner das abnicken ohne einwerfen zu dürfen, dass das mit den Höhlenmenschen schon ein bisschen länger her sei.

Genauso wenig dürfen sie intervenieren, wenn er davon redet, dass sich nach 6 Stunden sein Gehirn rekalibriert und damit ein völlig neuer Tag beginnt, obwohl dies augenscheinlich nichts anderes ist, als ein anders eingeteilter Alltag.

Die toxischste, nicht toxische Bubble überhaupt

Auch die knapp 100.000 Dollar, die er als Gage für ein Live-Event einfordert, um einem ganzen Raum voll Menschen seine Weisheiten zu predigen, müssen sie als legitim abtun. Es kostet nun mal Geld, anderen Menschen zu sagen “Tut einfach so, als ginge alles von vorne los, wenn der kleine Zeiger auf der 6 und der große Zeiger auf der Null ist”.

Andererseits sagt Mylett in jedem seiner Vorträge immer exakt die gleichen Worte, auf die gleiche Art, mit der gleichen Betonung und den gleichen, vorgefertigten Einwürfen – doch auch das verzeihen seine Kollegen ihm, schließlich sind sie allesamt selbst nicht viel anders.

Am Ende handelt es sich dabei wohl um die am wenigsten toxische Bubble in sich, weil sich alle gemeinsam einig sind, dass es viel mehr bringt, sich gegenseitig zu beteuern, wie toll man sei, während man Menschen um ihr Geld bringt.

Fraglich ist nur, ob das ganze sich auch langfristig bezahlt macht oder wie jede andere Betrugsmasche ein jähes Ende findet. Aber hey, sollte er mit seinen Vorträgen irgendwann scheitern, dann kann er nach seinem System ja täglich drei Halbtagsjobs übernehmen und kommt damit problemlos über die Runden...

Was denkt ihr über Myletts Zeitplanung? Glaubt ihr, er erhält die Aufmerksamkeit zurecht oder zieht er seine Kunden nur über den Tisch?

Daniel Fersch

Daniel schreibt über so ziemliches alles, was mit Games, Serien oder Filmen und (leider) auch fragwürdigen Streamern zu tun hat – insbesondere, wenn es dabei um Nintendo, Dragon Ball, Pokémon oder Marvel geht....