Streamer provoziert Polizei und behauptet "Israels Gott" hätte ihn beauftragt

Sich mit der Polizei und der Justiz anzulegen ist ein Auftrag, welchen er von Gott erhalten hat – meint der YouTuber zumindest selbst.

Siberian Tiger
Laut eigenen Angaben macht der YouTuber das nicht für die Views sondern für Gott. | © Siberian Tiger / YouTube


Die Faszination der Karens

Wir alle kennen "Karen-Videos", in welchen meist aufgedrehte, amerikanische Frauen dem Nervenzusammenbruch nahe sind, weil sie sich in eine Situation hineinsteigern, in der sie glauben, aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Verdienstes, Standes oder sonstiger Gründe im Recht sehen.

Und wenn wir ehrlich sind: Besonders gerne sehen wir doch, wie solche Menschen dann ihr Fett wegbekommen, weil die eingeschalteten Instanzen, Behörden oder die Polizei sie zurechtweist – weil sie eben nicht Recht haben.

Wie allerdings bis zu diesem Zeitpunkt die Eskalationsspirale von (männlichen wie weiblichen) Kevins ins Unermessliche gesteigert wird, ist es, was den absurden und irgendwie auch frustrierenden Rage-Bait-Humor dieser Videos ausmacht.

Im aktuellen Fall versuchte ein Mann aus derartigen Videos eine regelrechte Karriere zu machen und begann damit, sich immer wieder mit der Polizei anzulegen, was ihn letztlich nicht nur vor Gericht brachte, sondern sich offensichtlich auch negativ auf seine mentale Gesundheit auswirkt.

Die Anfänge des Siberian Tigers

Die fragwürdige Karriere des Siberian Tiger (wie er sich selbst bezeichnet) begann nämlich mit einem von seinem Sohn gefilmten und ihm persönlich ins Internet gestellten Video genau dieser Machart.

Im Clip ist der Tiger im Streitgespräch mit einem Abschleppdienst zu sehen, doch wie so üblich bei Karen-Videos, ist der gesamte Kontext nicht sofort ersichtlich und es dauert ein wenig, bis klar wird, dass der Wagen aufgrund nichtbezahlter Raten abgeholt werden sollte – was dem Auto-(Fast-)Besitzer aber gar nicht gefiel.

Die Frau des Tigers hatte sich auf den Beifahrersitz des Autos gesetzt, wohl in der Hoffnung sie könne so dessen Mitnahme verhindern, doch der Abschleppdienst führte seinen Job weiter aus und begann damit, das Gefährt auf seinen Laster zu ziehen.

Für den Tiger der ganz klare Versuch einer Entführung, weswegen er dem Abschlepper androhte, sowohl seine im Haus befindliche Waffe als auch die Polizei zu holen.

Er kehrt mit einem Baseballschläger zurück, rüttelt an der Wagentür und forderte immer wieder lautstark, dass "sein" Wagen wieder heruntergelassen werden solle. Während sein Sohn bis zu diesem Moment vor allem filmte und hin und wieder eigene vorlaute Kommentare in Richtung des Abschleppers angab, versuchte er nun, seinen Vater ein wenig zu besänftigen und betonte immer wieder, dass er mit dem Schläger nichts kaputtmachen solle und die "Sache für ihn nicht schlecht aussehen" lassen dürfe.

Als er seinen Vater daraufhin fragt "Du hast das Auto doch abbezahlt, oder?" ignoriert der Siberian Tiger seinen Sohn nur.

SWAT-Team setzt aggressiven Vater fest

Als letztlich die Polizei auftaucht und ihn auffordert, den Schläger fallen zu lassen, weigert der Tiger sich und erklärt, dass es sich dabei um "seine Verteidigung" handele, die Beamten sich auf seinem Privatbesitz befänden und er sie gar nicht gerufen habe.

Selbst als er die gezückten Waffen der Polizisten bemerkt, kommt der Vater nicht zur Besinnung und redet von einem "ernsthaften Problem" und davon, dass die Polizisten schleunigst verschwinden sollten.

Als ein SWAT-Team dazugerufen wird, bedroht und beleidigt Tiger die Beamten zusätzlich und verrennt sich in besorgniserregende Aussagen, dass dies eine geplante Aktion gegen ihn sei (auch dies kommt nicht selten in entsprechenden Karen-Videos vor, sobald sie merken, dass nicht nach ihrem Wunsch gehandelt wird).

Das Ergebnis der Aktion: Das SWAT-Team rückt an, führt Tiger und seine Familie in das Innere ihres Hauses und setzt den aggressiven Vater fest. Während der Sohn das Ganze vom oberen Stockwerk aus filmt, kniet Tiger mit gefesselten Händen in seinem Wohnzimmer, während er von den Beamten seine Rechte vorgelesen bekommt.

Provokation von Polizisten als Videoformat

Wo man an diesem Punkt eigentlich davon ausgehen sollte, dass dieser Reality-Check dafür sorgt, dass der Siberian Tiger zur Räson kommt und sich in der nächsten Zeit nicht mehr so schnell mit Behörden oder anderen Menschen anlegen würde, hatte dieser erst angefangen.

Sich noch immer im Recht sehend, lud er das Video ins Internet und kassierte damit reichlich Klicks, die ihn in seiner Meinung wohl noch bestärkten und ihn auf die Idee brachten, dass er mit weiterem Content dieser Art mehr Aufmerksamkeit erzielen könnte.

Er provozierte immer wieder ähnliche Situationen, bei welchen er mit dem Gesetz in Konflikt geriet, bedacht darauf, alles zu filmen und dann ins Netz zu laden, während die Titel und Beschreibungen stets betonten, dass er von Polizisten belästigt, zu Unrecht festgesetzt oder sogar attackiert wurde.

Im Laufe der Zeit scharte er so eine Followerschaft von mehr als 55.000 Usern um sich, während seine Videos zwischen ein paar Tausend und Hunderttausend Views erzielten. Der Tiger selbst sieht sich dabei immer wieder als Opfer, als "Polizeibeobachter" und wie er kürzlich bei einer Anhörung verkündete: Inzwischen auch "von Gott gesandt".

"Von Gott beauftragter Polizei-Provokateur"

Während seine Videos ihm im Internet ein klein wenig Aufmerksamkeit und einen recht fragwürdigen Ruf bescherten, da die meisten seiner Zuschauer ihn ganz und gar nicht im Recht sahen sondern nur sehen wollten, wie er sich von einer gefährlichen Interaktion mit den Cops zur nächsten hangelte, hatten seine Aktionen vor allem aber rechtliche Konsequenzen.

Bereits mehrere Male befand sich der Tiger in Polizeigewahrsam (von ihm oftmals als "Entführung" betitelt) und mindestens sieben Mal vor Gericht. Dabei zeigte er sich nicht nur uneinsichtig sondern erklärte auch immer wieder, dass er das einzig Richtige täte. Die Idee davon derjenige zu sein, der für das (wahre) Recht einstünde und sich Polizisten wie Justiz gleichermaßen entgegenstellte, ist inzwischen zu etwas herangewachsen, was einige seiner Kritiker als lupenreine Psychose verstehen.

Bei einer Anhörung vor wenigen Tagen trat der Siberian Tiger mit einer amerikanisch-israelischen Flagge auf, die er sich wie ein Cape um die Schultern gelegt hatte und bezeichnete seinen Wohnort, der kaum treffender den Namen "Happy Valley" trägt, als "Höllenloch, gefüllt mit Dämonen in menschlicher Form".

Er beleidigte einen Richter, der zuvor Prozesse gegen ihn geführt hatte, veröffentlichte dessen Privatdaten und behauptete, dass er bestechlich sei und Gott ihn als Antwort geschickt hätte.

Gott hat mich geschickt, um diesen Mist aufzuräumen, weil ihr selbst nicht in der Lage seid, das zu tun! [...] Und wenn ich zurückkehre, dann kehre ich mit der Macht des Himmels zurück. [...] Wenn ihr euch mit mir anlegt, legt ihr euch mit meinem Gott an! Ihr beleidigt meinen israelischen Gott besser nicht, denn er nimmt es nicht auf die leichte Schulter, wenn seine Kinder angegriffen werden.

Wann endet der Wahnsinn?

Unklar ist hierbei, ob es sich hierbei um seine tatsächlichen Überzeugungen handelt und dem Siberian Tiger dringend Hilfe zukommen sollte oder ob dies nur Teil einer Internetpersona ist, die er verkörpert, um seine provokanten Aktionen durchzuführen, dass weder das eine noch das andere zu einer langfristigen Social Media Karriere führen wird ist klar.

Auch wenn seine Zuschauer jetzt noch großen Gefallen an seinen Taten finden und sich in den Kommentaren als Unterstützer seiner Aktionen geben, während sie insgeheim darauf hoffen, dass der Tiger in immer größerem Ausmaße Schaden für sich und seine Familie bedeutet, werden sie sich früher oder später einem neuen Aufreger zuwenden, während die Klickzahlen des selbsternannten Propheten des "Israelischen Gottes" schrumpfen werden.

Am Ende ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Siberian Tiger sich in eine wirklich missliche Lage bringt, sei es vor Gericht oder schon zuvor, wenn er Polizisten und andere Behörden provoziert oder erst dann, wenn seine fünfzehn Minuten Ruhm vorbei sind und er wieder nur eine von vielen, vielen Karens im Internet ist.

Daniel Fersch

Daniel schreibt über so ziemliches alles, was mit Games, Serien oder Filmen und (leider) auch fragwürdigen Streamern zu tun hat – insbesondere, wenn es dabei um Nintendo, Dragon Ball, Pokémon oder Marvel geht....