Die deutsche Filmindustrie muss sich seit Jahrzehnten des Rufs erwehren, weder sonderlich experimentierfreudig, noch allgemein beliebt zu sein. Zwar können gelegentlich Einzelwerke aus dem Midlife-Crisis-Komödien-Einheitsbrei hervorstechen, doch besondere künstlerische Amibition ist in den hiesigen Produktionen nur selten erkennbar.
Bedenkt man dann auch noch, dass das Medium des Animationsfilms – ob nun mit zwei-dimensionalen Zeichnungen, Stop-Motion-Fotografie oder computergestützten 3D-Modellen – besondere Vision und Hingabe erfordert, scheint das Konzept in der deutschen Filmlandschaft direkt zum Scheitern verurteilt.
Folglich ist es umso überraschender, dass schon diverse kreative Köpfe ihre Konzepte für abendfüllende Animationsstreifen, ob nun unterhaltsamer Kinderfilm oder Gesellschaftsdrama, hierzulande mit Erfolg umsetzen konnten. Genau diese möchten wir bei EarlyGame mit der folgenden Auflistung von 10 guten deutschen Animationsfilmen würdigen.
Mit dieser computeranimierten Umsetzung von Max Kruses Kinderbuchgeschichte über das letzte Reptil seiner Art, welches von einem verwirrten Professor auf seiner Insel voller sprechender Tiere aufgenommen wird, ist den Machern ein herzlich-witziger Geniestreich gelungen: Zwar sind die absurde Handlung und die fantasievolle Kulisse klar auf eine jüngere Zielgruppe ausgerichtet, aber die exzellente Synchronisation und der charmante emotionale Kern machen Urmel aus dem Eis zu einer auch für Erwachsene ansprechenden Erfahrung, welche 2008 sogar einen Nachfolger erhielt. | © Ambient Entertainment (Hannover)
Als farbenfroher, klassisch animierter Zeichentrickfilm mit sprechenden Katzen in der Hauptrolle mag Felidae zwar auf den ersten Blick wie seichte kindgerechte Unterhaltung wirken, doch der Schein trügt: Tatsächlich handelt es sich hier um einen düster-philosophischen Krimi, in der die Protagonisten einer Mordserie unter Katzen nachgehen und dabei mit den unverhohlen grausam präsentierten Konsequenzen von Tierversuchen und Sektenmachenschaften konfrontiert werden, welch in der Fachpresse sogar teilweise als zu drastisch kritisiert wurden. | © TFC Trickompany (Hamburg)
Bei den anderen Einträgen auf dieser Liste handelt es sich um Spielfilme, doch auch das Genre des Dokumentarfilms hat in animierter Form in Deutschland eine Heimat gefunden. Als Rekonstruktion der Anfangsphase der Russischen Revolution aus der subjektiven Sicht beteiligter Künstler und gestützt auf zeitgenössische Quellen verfolgt das Werk das Ziel, „das Spannungsfeld zwischen Kunst, Politik und gesellschaftlichem Umbruch“ erfahrbar zu machen. Hierbei wird Stop-Motion-Legetrick-Animation mit Zeichnungen im passenden Stil der russischen Avantgarde verwendet. | © Katrin Rothe Filmproduktion (Berlin)
Wer sich schon immer mal gewünscht hat, die Mischung aus Nostalgie, Fernweh und Stop-Motion-Charme, welcher den Unser Sandmännchen-Intros innewohnt, mal in Spielfilmlänge zu erleben, der wäre mit Die fliegende Windmühle gut beraten: Der aufwändig detailliert produzierte DDR-Streifen ist ein wahres Feuerwerk der Kreativität; nur beispielhaft sei hier eine Reise der unfreiwilligen Kosmonauten – namhaft ein Schulmädchen und kauziger Professor samt sprechendem Hund und fürsorglichem Krokodil – auf einen Planeten genannt, welcher Pflanzen behergbergt, aus denen Spiegeleier sprießen. | © DEFA (Dresden)
Auf den ersten Blick mag diese Verfilmung von Humorist Wilhelm Buschs gleichnamigem Werk etwas kärglich wirken, übernimmt sie doch den einfachen, farblosen Zeichenstil der Karikaturvorlage. Doch berücksichtigt man seinen Status als erster abendfüllender Zeichentrickfilm der Nachkriegszeit, ergibt diese Sparsamkeit durchaus Sinn. Tobias Knopp bot als ironische Betrachtung der Suche nach Liebe, Sinn und gesellschaftlicher Zugehörigkeit trotz materiellem Wohlstand nicht nur damals dringend benötigte Unterhaltung, sondern greift Themen auf, die heute aktueller sind denn je. | © Eos-Film (Göttingen)
Coppelia ist in vielerlei Hinsicht ein Zeichen der wachsenden Experimentierfreunde in Teilen der Branche: Als Ballettverfilmung wird die Handlung, in der Protagonistin Swan die Pläne von Erfinder Dr. Coppelius durchkreuzt, mithilfe künstlicher Schönheit die Gefühle der Stadtbewohner zu kontrollieren, über Tanz, Musik und Hintergründe anstatt über Worte ausgedrückt. Dabei werden echte Schauspieler in einer komplett computeranimierten Welt platziert, wo sie mit ebenfalls animierten Figuren interagieren. Somit kombiniert dieser Film erfolgreich gleich mehrere scheinbar unvereinbare Genres. | © MotionWorks (Halle (Saale))
Von allen Filmen auf dieser Liste mag diese Verfilmung der niederländischen Kinderbuchreihe zwar die jüngste Zielgruppe ansprechen, ist deswegen aber keine minder beeindruckende Leistung. Als farbenfrohe Aneinanderreihung von Fabeln über Freundschaft, Mut und Vorurteile wird hier die Geschichte des kleinen Eisbären Lars erzählt, welcher – ausgehend von dem Versuch, die durch große Fischerboote hervorgerufene Fischknappheit unter den Eisbären zu bewältigen – immer wieder auf Abwege gerät, wo er immer wieder auf neue unterhaltsame und einprägsame Charaktere trifft. | © Cartoon Film (Bottrop)
Als ältester noch erhaltener animierter Langfilm ist diese innovative Stop-Motion-Kreation, in der Figuren und Gegenstände aus ausgeschnittenen Pappteilen bestehen, nicht nur in einer Diskussion über deutsche Filme erwähnenswert: Die titelgebenden Abenteuer sind an diverse Handlungsstränge aus Tausendundeine Nacht angelehnt und setzen die dort häufig genutzten magischen Elemente deutlich besser um, als es mit damaligen Realfilmtechniken möglich gewesen wäre. Das Team um Lotte Reiniger hat hier Kreativität und Amibition in einem wortwörtlich rekordverdächtigen Ausmaß gezeigt. | © Comenius-Film (Potsdam)
Als erster Langfilm des in Deutschland lebenden iranischen Filmemachers Ali Soozandeh repräsentiert Teheran Tabu gleichermaßen den erfolgreichen Einsatz von Rotoskopie als Animationstechnik und den Bruch mit dem Stereotyp, sämtliche Animationsfilme seien Kinderfilme. Anhand von drei fiktiven Frauen wird hier die Lebensrealität allzu vieler Menschen in dem totalitären Herrschaftssystem des Iran thematisiert, wobei die realen Konsequenzen der institutionalisierten Perspektivlosigkeit, inklusive Drogenmissbrauch, Prostitution und Selbstmord, ungeschönt dargestellt werden. | © Little Dream Entertainment (Köln)
Als Bilderbuch war Erich Kästners Nachkriegsgeschichte, in der Tiere den Menschen ihre Unverantwortlichkeit im Umgang miteinander und mit der Welt vorwerfen, quasi prädestiniert, um eine Verfilmung zu erhalten. Unter der Regie von Curt Linda wurde 1969 genau das in Form des ersten deutschen Zeichentrick-Langfilms in Farbe umgesetzt. Doch auch abgesehen von dieser damals beeindruckenden technischen Spielerei und der ausgezeichneten Filmmusik ist das Werk aufgrund seiner (leider) zeitlosen politischen Untertöne eine Erwähnung auf dieser Liste wert. | © Linda-Film Produktion (München)
Wer sich für die Geschichte des deutschen Animationsfilms interessiert, dem dürfte eventuell auch ein ähnliches kulturelles Erbe unserer westlichen Nachbarn bekannt vorkommen.
Um dieses noch einmal in Kürze Revue passieren zu lassen, empfehlen wir dementsprechend einen Blick auf unser Ranking aller Asterix-Zeichentrickfilme. | © Société Dargaud
Für manch einen mag die Feststellung überraschend sein, dass schon diverse kreative Köpfe ihre Konzepte für abendfüllende Animationsstreifen, ob nun unterhaltsamer Kinderfilm oder Gesellschaftsdrama, hierzulande mit Erfolg umsetzen konnten. Genau diese möchten wir bei EarlyGame mit der folgenden Auflistung von 10 guten deutschen Animationsfilmen würdigen.
