Netflix mischt mit „Bet“ die Karten des beliebten Glücksspiel-Animes Kakegurui neu – aber landet diese schräge Westliche Version den großen Wurf oder knickt sie unter dem Druck ein?

„Bet“, eine lose Netflix-Adaption, die sich von Kakegurui – dem hochdramatischen Glücksspiel-Anime von Kawamoto Homura – inspirieren lässt, hat es in die Top 10 der Plattform geschafft. Aber ist sie auch gelungen? Das hängt ganz davon ab, worauf man setzt.
Hübsch anzusehen – aber was genau wurde da rebootet?
Kakegurui ist bekannt für seine intensiven Glücksspiele, durchgeknallten Figuren und eine Stimmung zwischen düsterem Humor und psychologischem Horror. Berüchtigt ist die Serie auch für Szenen, die irgendwo zwischen verführerisch und verstörend pendeln.
Bet übernimmt das Grundkonzept des Vorgängers: eine Elite-Schule, in der Glücksspiel über den sozialen Status entscheidet, ein geheimnisvolles neues Mädchen mit verborgenen Absichten, und ein tyrannischer Schülerrat – doch der Ton ist ein anderer. Die Serie erschafft eine Art Mischwesen aus Ideen des Originals und eigenen Konzepten.
Während Namen und Struktur weitgehend erhalten bleiben, wurden viele Charaktere und ihre Motive stark verändert.
Ein Reddit-Nutzer bringt es auf den Punkt:
„‚Bet‘ ist von ‚Kakegurui‘ inspiriert – so wie Fifty Shades of Grey von Twilight inspiriert worden ist.“
Hohe Einsätze, aber wo bleibt das Spiel?
Visuell kann Bet durchaus punkten. Die Serie wird von Zuschauern vor allem für ihr stylisches Filmdesign, kreative Soundeffekte und schrillen Humor gelobt. Manche Szenen kommen mit ihrem Übermaß an schrägem Humor sogar zielich nah an das Anime-Original heran.
Aber trotz all des Glanzes fehlt das Herzstück der Serie: nämlich das Glücksspiel selbst. Fans beklagen, dass sich die Spiele oft außerhalb der Sichtweite der Zuschauer abspielen oder dass ihnen ein echtes strategisches Element fehlt. Dadurch werden die entscheidenden Showdowns eher zu schnell gewonnenen Actionszenen als zu spannenden Geisteskämpfen.
Ein Fan des originalen Anime kommentiert auf Reddit:
„Am Ende war ich echt enttäuscht, dass die Spiele kaum gezeigt wurden. Irgendwann hieß es nur noch: ‚Kira gewinnt‘ oder ‚Yumeko gewinnt‘ – aber wie, sah man nie.“
Tolle Darsteller – aber wohin führt das Ganze?
Die Besetzung der Serie scheint sich deutlich positiv abzuheben und erfährt von sowohl alteingesessenen Fans, als auch neuen Zuschauern viel positive Kritik.
Besonders Martineaus Interpretation von Yumeko in der Hauptrolle wird als nuanciert beschrieben, und Solankes Darstellung von Ryan gilt als echtes Highlight.
Viele waren jedoch der Meinung, dass die inszenierten Darstellungen zwar gut, aber zu theatralisch waren. Das hohe Potenzial der Schauspieler wurde, laut ihnen, nicht vollends ausgeschöpft und es wurde durch das Übermaß an Theater-Drama an einigen wichtigen Stellen versäumt, der Show emotionale Tiefe zu verleihen.

Am meisten polarisiert aber wohl die Veränderung von Yumekos Charakter. Im Anime ist sie eine tickende Zeitbombe, süchtig nach Risiko, Chaos und dem Nervenkitzel des möglichen finanziellen Untergangs.
In „Bet“ hingegen wird sie zu einer sympathischeren Protagonistin, mit trauriger Familiengeschichte, die ihre Mutter involviert, und einem Wunsch nach Rache der ihre Handlungen prägt. Sie weint, hat Zweifel und zögert – Eigenschaften, die sie für neue Zielgruppen vielleicht sympathischer machen, von Fans des Originals jedoch als untypisch empfunden werden.
Identitätskrise pur
Bet wirkt oft, als wüsste es selbst nicht so recht, was es sein will. Die Figuren sind amerikanisierte Versionen ihrer Anime-Vorbilder. Manche begrüßen diese Lokalisierung – andere hätten sich gewünscht, die Serie wäre entweder ein ganz eigenes Ding geworden oder näher am Original geblieben.
Das Ergebnis ist, laut Kritikern, ein Werk im Schwebezustand: weder Hommage noch echte Neuschöpfung.
Ironically, the show tones down the original’s sexual content and wildness, perhaps to appeal to a broader Western audience... But then casually introduces murders, often treated like punchlines.
Ironischerweise drosselt die Serie den sexuellen Inhalt und die Wildheit des Originals, vermutlich um ein breiteres westliches Publikum anzusprechen.... Führt aber auf der anderen Seite beiläufige Morde in die Geschichte ein, die oft wie beiläufige Pointen behandelt werden.
Urteil: Mittelmaß mit Gesprächswert
„Bet“ ist ein interessantes Experiment. Es landet irgendwo im Mittelfeld: Zwar kein völliger Reinfall aber auch weit entfernt von einem Royal Flush. Kein völliger Reinfall, aber auch kein großer Wurf. Kakegurui-Fans könnten sich an der veränderten Tonlage, den weichgespülten Figuren und den Popkultur-Witzen stören.
Bei Neulinge könnte die Serie gut ankommen, wenn man sie als eigenständigen Teenie-Thriller betrachtet und nicht als originalgetreue Adaption.
Das Finale der Serie deutet auf eine mögliche zweite Staffel hin, je nachdem, wie erfolgreich die Serie weiterhin gestreamt wird. Und eines muss man ihr lassen: Gesprächsstoff liefert sie allemal.