
Die Proteste in der Türkei haben Unterstützung von einer Seite bekommen, mit der niemand gerechnet hat, als die berühmteste, gelbe Elektromaus der Welt in den Kampf geschickt wurde.
Proteste in der Türkei
Seit dem 19. März herrschen extreme Unruhen in der Türkei. Teile der Bevölkerung wehren sich gegen die neuesten Eskapaden Erdogans und seiner Politik.
Grund für die Ausschreitungen war die Festnahme des instanbulischen Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu. Nachdem der 54-jährige Politiker der republikanischen Volkspartei CHP bei den Kommunalwahlen 2019 und 2024 bedeutende Siege gegen verbündete Erdogans verbuchen konnte, wurde dies als Machtdemonstration gegenüber der Politik des türkischen Präsidenten gesehen.
Als Reaktion darauf ließ Erdogan zunächst İmamoğlus Abschluss durch die Universität Istanbul annullieren, was es seinem Konkurrenten unmöglich machet, für die Präsidentschaftswahl 2028 aufgestellt zu werden – am Folgetag wurde İmamoğlu wegen angeblicher Korruption und Unterstützung von Terroristen festgenommen.
Der Aufschrei der Bevölkerung daraufhin war groß, da klar ist, dass diese Festnahme des Konkurrenten Erdogans lediglich dessen Macht sichern sollte. Die sich daraus ergebenden Proteste breiteten sich auf die gesamte Türkei, jedoch besonders auf Instanbul selbst aus.
Die Proteste waren vielerorts schon zu Beginn extrem chaotisch, doch dann erschien jemand auf der Bildfläche, mit dem wohl keiner gerechnet hätte.
Du bist dran, Pikachu!
Ein längst viral gegangenes Video zeigt, wie mitten im Tumult der Straßenunruhen ein Protestant in einem Pikachu-Kostüm erscheint. Das gelbe Maus-Pokemon rennt mit anderen durch die nächtlichen Straßen um den türkischen Behörden zu entkommen.
30 yil oence Japonlar Pokemon'u icat ediyor. 30 yil sonra Tuerkiye'de Pikachu polisten kaciyor.pic.twitter.com/4FHubglx4S
— Yoshi (@YoshiEnomoto_) March 27, 2025
Das Video fand nicht nur in der Türkei äußerst viele Fans, Befürworter und Nachahmer, so dass immer mehr als Pikachu-kostümierte Protestler in Erscheinung traten.
Das Internet teilte weiterhin die Clips, erstellte Memes und verbreitete entsprechende Inhalte, die das Pokémon zu einem Symbol der Proteste machten.
Erdogan ist daher absolut kein Freund des Pokémons und versuchte sich mit allen Mitteln gegen Pikachu zu wehren.
Erdogans Gegenangriff ist nicht sehr effektiv
So wurde von regierungsnahen Medien das Kostüm als gezielte Kampagne der Opposition angesehen, sie bezeichneten die Verwendung des Anime-Monsters als “psychologische Kriegsführung” und veröffentlichten sogar Listen mit den vermeintlich negativen Eigenschaften Pikachus, um die Kostümierten zu diffamieren.
So wurde der Angriff mit Elektroattacken und Blitzen etwa mit Hinrichtungen durch den elektrischen Stuhl verglichen.
Letztlich versuchte man das possierliche gelbe Tierchen gar als Terroristen darzustellen, was offensichtlich nicht sehr effektiv war.
Mehr als ein Meme
Während das Ganze zunächst einmal vor allem lustig erscheint, ist Pikachu aber auch ein Symbol. Das Symbol junger, aufgeschlossener Türken, die sich gegen das aktuelle Regime auflehnen und die der Unterdrückung auf eigenen Wegen entgehen – etwa durch entsprechende Memes.
Das Pikachu-Kostüm ist Symbol eines Generations- aber auch eines ideologischen Konflikts und der Möglichkeiten, die die jüngeren Teile der Bevölkerung haben, um sich zu verbinden, gegenseitig zu unterstützen und auch international auf sich aufmerksam zu machen.
Nicht nur, weil die Versuche Erdogans, gegen das Pokémon vorzugehen und es zu diffamieren, offensichtlich scheiterten und die Regierung der Lächerlichkeit preisgaben, sondern auch, weil dadurch ein zusätzlicher, internationaler Fokus auf die Proteste und deren Hintergründe gelegt wurden.
Ob dies zu einem Verbot der Game-Reihe in der Türkei führen wird, ist noch unklar, doch wir können uns sicher sein, dass das gelbe Maus-Pokémon ganz unabhängig davon weiter für eine aufgeklärte, offene und gerechte Türkei kämpfen wird.