"Ich will kein Paycheck-Stealer sein" – CS2 Major-MVP geht freiwillig auf die Bank

Die professionelle Counter-Strike-Szene hat schon viele überraschende Transfers erlebt, doch diese Nachricht sticht besonders heraus

NAVI j L
Der frisch verheiratete Litauer nimmt sich eine Auszeit vom Profi-Dasein. | © HLTV via jL auf Twitter/X

Justinas „jL“ Lekavicius, der erste MVP eines CS2 Majors und einer der Stars des letzten Jahres, hat sich selbst entschieden, auf die Bank von Natus Vincere zu wechseln. Mitten in seiner Prime und nach einer der erfolgreichsten Saisons seiner Karriere zieht sich der Litauer freiwillig zurück – ein Schritt, der in der Community großen Respekt auslöst.

„Nicht mehr glücklich beim Spielen“

NAVI gab offiziell bekannt, dass jL in die inaktive Liste des Teams aufgenommen wird. Seinen Platz übernimmt vorerst der erst 17-jährige Drin „makazze“ Shaqiri, der aus der Nachwuchsabteilung NAVI Junior hochgezogen wird.

In einem sehr offenen Video auf seinem YouTube-Kanal erklärte jL selbst, was hinter dieser Entscheidung steckt:

„Ich bin einfach nicht mehr glücklich beim Spielen. Es liegt nur an meinen eigenen Gedanken, daran, wie ich über das Spiel und mich selbst denke.“

Er betonte, dass er sich eine Pause von etwa sechs Monaten nehmen will – vielleicht kürzer, vielleicht auch etwas länger. Er wolle neue Dinge ausprobieren, wieder Spaß finden und Abstand gewinnen.

Erfolg hat seinen Preis

jL unterschrieb im Sommer 2023 bei NAVI, als das Team auf englische Kommunikation umstellte. Mit ihm kamen auch Aleksi „Aleksib“ Virolainen und Mihai „iM“ Ivan ins Team – ein Umbruch, der sich auszahlen sollte.

2024 spielte jL die beste Saison seiner Karriere:

  • Gewinn von vier Turnieren, darunter das PGL Major in Kopenhagen
  • Auszeichnung als MVP dieses Majors
  • Platz 5 in der Weltrangliste der besten Spieler 2024
  • Titel als Closer of the Year

Doch wie jL selbst sagt, bringt Erfolg auch Opfer mit sich:

„Der einzige Grund, auf Tier-1-Niveau zu spielen, ist, der Beste zu sein. Und der Beste zu sein bedeutet viel Verzicht – das kann ich im Moment nicht mehr geben.“

Ein mutiger Schritt in schwierigen Zeiten

2025 lief für NAVI deutlich schwieriger. Trotz konstanten Playoff-Teilnahmen blieb der ganz große Erfolg aus; zweimal schaffte es das Team immerhin bis ins Halbfinale (BLAST Bounty und IEM Katowice). Auch jL konnte nicht mehr ganz an seine überragenden Leistungen von 2024 anknüpfen: Seine LAN-Statistiken sanken von einer 1.13 Rating im Vorjahr auf 1.06 in den vergangenen 6 Monaten.

Anstatt jedoch weiterzuspielen und nur noch mitzuschwimmen, wie er selbst sagt – also ein „Paycheck-Stealer“ oder „schlechter Teammate“ zu sein – zog jL selbst die Reißleine. Ein Schritt, den viele Fans und Analysten als extrem reflektiert und respektabel bezeichnen. Immerhin sprechen wir von einem Spieler, der noch mitten in seiner besten Zeit ist.

Trotz allem blickt jL dankbar auf seine bisherige Zeit bei NAVI zurück:

„2024 war ein großartiges Jahr. 2025 war ein Jahr der Niederlagen, aber aus Niederlagen lernt man. Was ich gelernt habe, ist, dass es vielleicht an der Zeit ist, die Maus für mindestens sechs Monate an den Nagel zu hängen.“

Er verabschiedete sich mit warmen Worten an seine Mitspieler und die Organisation:

„Es war eine großartige Zeit, ein Vergnügen. Ich hoffe, stärker zurückzukommen – bereiter und fähiger, wieder ein Tier-1-Spieler zu sein.“

Für NAVI ist der Verlust jLs unterdessen ein bedeutender Umbruch: mit makazze rückt ein Nachwuchsspieler ins Rampenlicht. Wie gut er diese große Lücke füllen kann, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Was aber jetzt schon sicher ist: jLs Schritt zeigt, dass hinter dem harten Wettkampfbetrieb echte Menschen stehen – und manchmal bedeutet Stärke nicht, weiterzukämpfen, sondern bewusst zurückzutreten.

Florian Frick

Flo studiert Sportjournalismus und verbindet bei EarlyGame seine Leidenschaft fürs Schreiben und eSports. Er liebt CS, und zu sagen, dass er emotional werden kann, wenn er seine Lieblingsteams verfolgt, wäre untertrieben....