Um sein Verhalten zu erklären, verglich der YouTuber sich unter anderem mit Jesus und Hitler...
Ein selbsternannter Alpha-Male-Youtuber, der seinen Zuschauern Tipps und Tricks darüber verraten wollte, wie man ein richtiger, besserer Mann wird und bei den Frauen ankommt, sieht sich mit drastischen Belästigungsvorwürfen konfrontiert, die ihn für mehr als 50 Jahre ins Gefängnis bringen könnten.
Die Suche nach "wahrer Männlichkeit"
Im Internet, das Meinungen und Ansichten in einer bis ins Extreme potenzierten, verzerrten Art wiedergibt, existieren auch Strömungen, die veraltete Rollenbilder, Vorstellungen hegemoniale Männlichkeitskonstrukte und die Suche nach "Alpha-Männern" vorantreiben wollen. Oftmals sind die größten Stimmen in dieser Bewegung dabei genau jene, die in der realen Welt am weitesten von dem disziplinierten, erfolgreichen Mann entfernt sind, den sie predigen.
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Der Fall des US-Influencers Brett Michael Dadig wirkt wie ein düsteres Lehrstück über die Schattenseiten der sogenannten Alpha-Male-Influencer-Szene. Dadig, der sich online als selbstbewusster Motivations-, Dating- und Lifestyle-Coach präsentierte, sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert: Stalking, Cyberstalking und grenzüberschreitende Drohungen gegen mindestens elf Frauen. Im Raum steht eine mögliche Gesamtstrafe von bis zu 70 Jahren Haft.
Aussagen weit über alle Grenzen hinaus
Mindestens fragwürdig waren die Inhalte Dadigs immer, von so absurden Situationen wie der Folge seines eigenen Podcasts, in welcher er sich von einer KI eine Traumhochzeit gestalten ließ und davon zu Tränen gerührt wurde, bis zu dem Moment als er seinen Zuschauern erklärte, dass sein Leidensweg, den er durch die Ablehnung der Frauenwelt und das Chaos in seinem Leben erfahren würde, vergleichbar mit der Passion Christi sei.
Die Frauen, die er privat kennenlernt und über die er dann in seinen Videos und Podcasts mit der ganzen Welt spricht, sind dabei immer "die absolute Traumfrau" oder "die perfekte beste Freundin" – bis sie, weil sie letztlich doch nicht seinem verzerrten Idealbild entsprechend, verteufelt werden.
Diese extreme Anziehung, die er zu verspüren scheint, geht jedoch über jede gesunde Grenze hinaus und ist zum Teil wohl besorgniserregend besitzergreifend.
Systematische Belästigung von 11 Frauen
Laut Anklage soll Dadig über Monate hinweg Frauen online belästigt, bedroht und diffamiert haben. Die Vorwürfe reichen von aggressiven Nachrichten und öffentlichen Beschimpfungen bis hin zu realen Nachstellungen, dem Aufsuchen von Arbeitsplätzen und dem Veröffentlichen privater Informationen.
Dabei soll er einzelnen Opfern unter anderem damit gedroht haben, ihnen den Kiefer brechen zu wollen und bezeichnete sich selbst als "Gottes Assassin".
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Die Ermittler sprechen von einem systematischen Muster, das bei den Betroffenen Angst und erheblichen psychischen Druck ausgelöst haben soll. Noch gilt die Unschuldsvermutung – doch der Umfang der Anklage ist außergewöhnlich und im Falle einer Schuldigsprechung könnten die besonders harten Fälle jeweils zu einer Verurteilung von bis zu 12 Monaten führen – aktuell werden Didag bis zu 70 Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe von 3,5 Millionen Dollar angedroht.
Besonders brisant ist der Kontrast zwischen öffentlicher Selbstdarstellung und den mutmaßlichen Taten: Dadig inszenierte sich als disziplinierter, überlegener Mann, der anderen erklärt, wie sie Kontrolle über ihr Leben, ihre Emotionen und ihre Beziehungen gewinnen können. Genau dieses Narrativ ist typisch für viele Alpha-Male-Influencer: Stärke, Selbstbeherrschung und Dominanz werden gepredigt – Empathie, Grenzen und Verantwortung hingegen oft als Schwäche abgetan.
Kritik an seinem Verhalten brachte ihn dabei nicht zur Selbstreflexion – ganz im Gegenteil. Dadig verzettelte sich selbst in wirren Gegenargumenten, wie etwa, dass kritische Stimmen nur darauf aus wären, ihn durch eine "Mob-Mentalität" zu stürzen.
Wirrer Hitler-Vergleich
In einem absurden Vergleich erklärt er, dass die Argumente gegen ihn auf Plattformen wie Reddit vorgetragen, ganz ähnlich wie Argumente gegen Hitler wären und das, wenn eine Person darüber reden würde, dass Hitler ein guter Mensch gewesen sei, es hunderte von Menschen gäbe, die ihm auf Reddit widersprächen. In diesem Fall entwaffnet er sein eigenes Argument, weil er umgehend eingesteht, dass Hitler selbstverständlich kein guter Mensch war und der vermeintliche wütende Mob in seinem Beispiel also absolut recht hätte.
Der Fall zeigt aber auch, wie problematisch die Alpha-Male-Ideologie an sich sein kann – auch darüber hinaus, dass die Argumente dieser Szene selten einer Diskussion standhalten.
Wer ständig vermittelt, man müsse sich "Respekt nehmen", Kritik ignorieren und andere dominieren, fördert ein Weltbild, in dem Grenzüberschreitungen legitim erscheinen. In vielen Fällen halten sich die Protagonisten selbst kaum an ihre eigenen Ratschläge. Statt emotionaler Kontrolle zeigen sie Wut, Kränkung und Rachsucht. Statt Selbstdisziplin folgen Eskalation und Kontrollverlust.
Soziale Medien als Brandbeschleuniger toxischer Männlichkeit
Auffällig ist zudem, wie soziale Medien solche Persönlichkeiten verstärken können. Provokation bringt Reichweite, Zuspitzung erzeugt Klicks. Wer laut genug auftritt, wird belohnt – auch dann, wenn die Botschaften toxisch sind. In dieser Logik verschwimmen die Grenzen zwischen Motivation, Manipulation und offenem Missbrauch. Der Schritt von verbaler Aggression zu realem Schaden ist dann oft kleiner, als es nach außen wirkt.
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Der Fall Dadig ist deshalb mehr als ein einzelnes Strafverfahren. Er wirft ein Schlaglicht auf eine Szene, in der Selbstoptimierung zur Waffe wird und "Männlichkeit" als Rechtfertigung für Rücksichtslosigkeit dient. Er zeigt, dass diejenigen, die sich online als Vorbilder inszenieren, nicht selten selbst hochproblematische Menschen sind – mit Verhaltensweisen, vor denen sie andere angeblich schützen wollen.
Am Ende bleibt eine unbequeme Erkenntnis: Wahre Stärke zeigt sich nicht in Dominanzparolen oder Einschüchterung, sondern in Verantwortung, Selbstreflexion und Respekt vor den Grenzen anderer. Genau daran scheitern viele Alpha-Male-Influencer – und im Fall Dadig könnte dieses Scheitern nun drastische rechtliche Konsequenzen haben.