Das allererste Videospiel in HD

Mehr Pixel, mehr Spieler, mehr Spaß.

Hi Ten Bomberman Thumbnail
Ein unerwarteter Anwärter auf einen historischen Titel | © Hudson Soft

Für die Videospielindustrie brachte die Entwicklung zu High-Definition-Grafiken (abgekürzt HD) eine grundlegende Veränderung in der Spieleentwicklung mit sich. Wie sich herausstellte, hatten die höheren Auflösungen von 720p+, die nach der Veröffentlichung der Xbox 360 im Jahr 2005 zum Industriestandard wurden, nicht nur Auswirkungen auf die visuelle Klarheit.

Da die Spieler nun schlichtweg mehr von den Spielen sehen konnten, mussten die Texturen und Modelle wesentlich detaillierter und das Leveldesign weitläufiger werden, was wiederum viel größere Teams und höhere Budgets erforderte. Was viele jedoch nicht wissen: Diese Entwicklungsweise kam bereits über zehn Jahre vor Veröffentlichung der Xbox 360 und PlayStation 3 erstmals kommerziell zum Einsatz.

Höchste Zeit für High Definition

Lange Zeit wurden Fernsehbildschirme, PC-Displays und später auch Videospielgrafiken für ein fast quadratisches Seitenverhältnis von 4:3 entwickelt. Dieses Seitenverhältnis beinhaltete dann verschiedene Mengen an Pixeln, was als „Auflösung” eines Bildes bezeichnet wird. Pixel, die über 525 („480i-Auflösung”) oder 625 Zeilen („576i-Auflösung”) verteilt waren, bildeten die Standardauflösung, also Standard Definition (SD).

Pläne zur Entwicklung einer Technologie, die Übertragungen in High Definition ermöglichen würde, gab es ebenfalls schon seit langem, aber erst in den 1960er Jahren wurden ernsthafte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchgeführt, bis schließlich in den 1980er dem japanischen öffentlich-rechtlichen Sender NHK der Durchbruch gelang: Dessen neues Hi-Vision-Format bot 1125 Scanlinien bei einem horizontaleren Seitenverhältnis von 16:9.

Mit dieser effektiven Auflösung von 1.920 × 1.035 Pixeln war NHK der Konkurrenz weit voraus. Da HDTV-Geräte und die nötige Infrastruktur jedoch noch teuer und experimentell waren, suchte das Unternehmen ab den 1990er Jahren nach öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen, um den Wert des Formats zu zeigen. Dementsprechend wurden Unternehmens- und Technologiepartner eingeladen, spektakuläre Projekte zur Veranschaulichung von Hi-Vision zu entwickeln.

Explosive Innovation

Bomberman screenshots
Screenshot der 1983er MSX-Version von Bomberman links und der 1990er PC-Engine-Version von Bomberman rechts | © Hudson Soft

Zu diesen Partnern gehörte auch das japanische Entwicklungsstudio Hudson Soft, bekannt für seine Franchises wie Adventure Island und das beliebte Bomberman sowie für seine Kooperationsprojekte mit Nintendo. 1987 war es mit seiner eigenen Konsole, der PC Engine (in Nordamerika auch als TurboGrafx-16 bekannt), in das Hardwaregeschäft eingestiegen.

Einer seiner PC-Engine-Titel war das 1990 erschienene Bomberman, eine Neuauflage des gleichnamigen PC-Spiels von 1983. Darin musste ein Roboter aus einem Labyrinth entkommen, indem er mit Bomben Ballons und Wände sprengte, ohne selbst in den Explosionsradius zu geraten. 1990 kam ein kompetitiver Mehrspielermodus hinzu, in dem bis zu fünf Spieler gleichzeitig versuchen, sich gegenseitig in die Luft zu jagen.

Die Matches in der stetig schrumpfenden Arena dauern so lange, bis nur noch ein Spieler übrig ist, was Bomberman (1990) zum ersten Videospiel mit einem Battle-Royale-Modus macht. Für die 100 Spieler, die normalerweise in modernen Äquivalenten wie Fortnite gegeneinander antreten, hätten weder die Hardware-Leistung noch der Platz auf dem Bildschirm gereicht.

Eine „günstige“ Gelegenheit

Screenshots Hi Ten Bomberman
Bedauerlicherweise konnte man damals nicht wirklich Screenshots in HD machen. Obere Reihe: Hi-Ten Bomberman; untere Reihe: Hi-Ten Chara-Bomb | © Hudson Soft

Die von NHK vorangetriebene experimentelle Technologie und das innovative Multiplayer-Konzept von Bomberman (1990) schienen für Katsuhiro Nozawa, Mitarbeiter bei Hudson Soft, eine perfekte Kombination zu sein. 1993 pitchte er die Idee eines Bomberman-Spiels, welches die Technik für kleinere Sprites (dank der 1035p-Auflösung) in Kombination mit einem größeren Bildschirmbereich (dank des 16:9-Seitenverhältnisses) nutzen sollte.

Das Team konzipierte ein Spiel, bei dem sich die Spieler mit ihren Bombenplatzierungen in einer Arena, die groß genug für zehn Bombermen gleichzeitig war, gegenseitig ausmanövrieren konnten. Dazu wurden zwei PC-Engine-Einheiten mit einem speziellen PC-Board unter dem Spitznamen „Iron Man” verbunden. Dieses Gerät war zwar HD-fähig, kostete jedoch pro Einheit etwa 2.000.000¥ (heute etwa 12.970€), weswegen nur 5-10 Einheiten produziert wurden.

Das fertige Spiel, das erstmals 1993 vorgestellt wurde, trug den Titel Hi-Ten Bomberman. Aufgrund des genannten Preises wurde es nie im Einzelhandel angeboten, sondern war anfangs nur Teil von Hudsons Super-Caravan-Shows, wo es der damalige Geschäftsführer Takahashi Meiji präsentierte, bevor es im NHK Studio Park gemietet werden konnte. Der Titel spielte sich genau wie Bomberman (1990), allerdings mit einem größeren Spielfeld und mehr Spielern, die in Teams unterschiedlicher Größe zusammengestellt werden konnten.

Einschlagende Wirkung

Hi-Ten Bomberman wurde in der Fachpresse überwiegend positiv bewertet – nicht zuletzt, weil es die Umsetzbarkeit von Multiplayer-Spielen im Breitbildformat und in High Definition erfolgreich unter Beweis stellte. Publikationen wie Edge und Next Generation hoben die technologische Leistung und das überzeugende Gameplay hervor. Später erhielt der Titel sogar den Committee Chairman's Award bei den High Vision Awards 1993.

Im Jahr darauf präsentierte Hudson Hi-Ten Chara-Bomb (1994), eine aktualisierte Version, welche noch größere Arenen und spielbare Charaktere aus anderen Hudson-Franchises wie Bonk und Milon's Secret Castle hinzufügte. Allerdings erschien auch dieser Titel nie im Einzelhandel, sodass sämtliche Versionen von Hi-Ten Bomberman lange als Lost Media galten, bis Meiji im Jahr 2019 alte Discs mit den Spieldaten fand und sie an die Game Preservation Society spendete.

Darüber hinaus inspirierte Hi-Ten Bomberman den späteren 10-Spieler-Modus in Saturn Bomberman (1996), welches ebenfalls einige Crossover-Charaktere aus Chara-Bomb aufgriff. Was seinen Einfluss auf die Entwicklung von HD-Spielen insgesamt angeht, so war Hi-Ten Bomberman nicht nur ein Vorbote des erhöhten Fokus auf den Mehrspielermodus, sondern eines noch wichtigeren Trends: Hohe Entwicklungskosten und höhere Spielpreise.

Adrian Gerlach

Adrian ist fasziniert von Games aller Alters- und Qualitätsklassen. Zeitmangel bereitet ihm diese Interessensvielfalt trotzdem nicht; man kann ja im Schlaf weiter träumen....