Der erste richtige Verhandlungstag lief wohl nicht ansatzweise so, wie der Streamer und sein Anwalt es planten... wenn sie überhaupt irgendwie geplant hatten...

Nachdem erste Kritiker schon davon ausgegangen waren, dass er letztlich doch ungeschoren davonkommen könnte, scheint es nun, als käme Bewegung in den Fall Johnny Somali, denn der gestrige Prozesstag sorgte für einen ziemlichen Schock beim angeklagten Streamer.
Die zahllosen Vergehen des Johnny Somali
Johnny Somali, der mit bürgerlichem Namen Ramsey Khalid Ismael heißt, dürfte wohl das Gegenteil eines unbeschriebenen Blattes sein. Seit Jahren sorgt er bereits für Trubel und Skandale, in dem er einer Carmen Sandiego gleich in fremde Länder reist, die Menschen und Kulturen vor Ort belästigt und beleidigt und das Ganze auch noch für seine Zuschauer filmt.
Seine Aufenthalte in China und Israel endeten jedoch lediglich mit einer Ausweisung des jeweiligen Landes, sodass Somali wohl zu begreifen schien, dass ihm trotz seines unsäglichen Verhaltens kaum Konsequenzen drohten.
Gefeiert wurden diese Aktionen nicht direkt von Fans, die ihren Streamer auch finanziell unterstützen wollten, als viel eher von Leuten, die die morbide Faszination antrieb, sehen zu wollen, wie weit Somali noch geht.
So betitelten ihn Zuschauer schon als „schwarzen Samurai des Chaos“ und zogen Vergleiche zu der Kontroverse rund um Yasuke, den Samurai aus Assassin’s Creed Shadows.
Streamer richtet auch in Südkorea Chaos an

Wohl auch deshalb machte er in Südkorea bisher genau da weiter, wo er in unter anderem Israel aufgehört hatte. Er beleidigte ein Denkmal zur Erinnerung an Sexsklavinnen während des Korea-Krieges, deepfakte das Gesicht einer koreanischen Influencerin in ein Erwachsenenvideo und belästigte Kinder sexuell im Internet.
Bei all diesen Vorwürfen scheint es fast banal, dass Somali zudem einen Bus des öffentlichen Nahverkehrs aufhielt und in einem Freizeitpark Soudclips mit sexuellen Inhalten laut abspielte – dennoch sind es wohl genau diese Vergehen, die den Streamer nun eiskalt erwischten.
Denn während er zuvor davon ausging, ihm könne ohnehin nichts passieren und er dürfe sich Scherze erlauben, wie in einer KKK-Kutte vor Gericht aufzukreuzen – die eher wie ein billiger Fortnite-Skin wirkte – oder potenziellen Zeugen einfach mit einer „virtuellen Vergewaltigung“ drohen. Jedoch nicht, wie in dem zurecht verbotenen Spiel No Mercy, sondern in Form belästigender Nachrichten und Meldespams.
Anwalt und Angeklagter sichtlich unvorbereitet
Dass die Einschüchterungsversuche der Zeugen ein wichtiger Bestandteil seiner Strategie vor Gericht sein durften, wurde jetzt besonders deutlich, als Somali beim gestrigen Prozess eiskalt erwischt wurde.
Ein Beobachter des Szenarios stellte später fest, dass es offensichtlich gewesen war, dass "Somali hoffte, dass Zeugen aus Angst nicht aussagen würden".
Zunächst schien es allerdings so, als würde Somali selbst gar nicht vor Gericht auftauchen. Zum Prozessauftakt fehlte jede Spur vom Streamer und sein Freund Hank Yoo musste sich auf die Suche nach ihm machen. Als er dann den Gerichtssaal betrat, wirkte er sichtlich ausgemergelt und deutlich weniger zu Scherzen aufgelegt, als bei vorherigen Anhörungen.
Vielleicht war ihm bereits bewusst, dass seine Verteidigungsstrategie dem Gericht nicht standhalten würde, was sich auch direkt bewahrheitete, als die erste Zeugin geladen wurde. Denn während Somali und sein Anwalt wohl davon ausgegangen waren, dass der Prozess sich zunächst vor allem um die Anklage wegen des Deepfakes unbeteiligter drehen würde, verhandelte man zunächst sein Verhalten im öffentlichen Raum, also das Aufhalten eines Nahverkehrbusses und das Belästigen anderer durch laut abgespielte Soundclips mit sexuellen Inhalten.
Schuldig in (vorerst) sechs Punkten
Den Aussagen der Mitarbeiterin des Freizeitparks, in welchem Somali die Sounds abgespielt hatte, konnte dessen Anwalt nichts entgegenbringen und so sah dieser sich mit insgesamt sechs Anklagen wegen Behinderung des Geschäftsbetriebs konfrontiert. Das Verhalten des Streamers, als bewege er sich durch GTA, wurde vom Richter als bösartig und mutwillig gewertet, nicht nur wegen der Störungen an sich, sondern auch ihres Inhalts: Wo Südkoreaner dabei ohnehin wenig Spaß verstehen, fiel besonders schwer ins Gewicht, dass bei einem Vorfall auch nordkoreanische Staatspropaganda abgespielt worden war.
So war es ihm letztlich nur noch möglich, in allen sechs Punkten auf schuldig zu plädieren.
Anwalt kann keinerlei Beweise für Somalis Unschuld vorlegen

Auch bei Punkten, in welchen er zuvor behauptet hatte, unschuldig zu sein, fiel es Somali schwer, dies aufrechtzuerhalten und die Argumentation seines Anwalts schien kurzlebiger als die Karriere von Concord.
Als der Richter erfragte, ob Somali und sein Anwalt irgendwelche Beweise für die Unschuld des Streamers in Bezug auf die Vergehen vorlegen könnte, bei denen Somali Deepfakes anderer Influencer angefertigt hatten, wurde klar, dass sie auch in diesem Fall keine gute Vorarbeit geleistet haben. So konnten dem Richter weder Beweise noch sonstige Argumente vorgelegt werden, die die teils von Somali selbst öffentlich ins Internet gestellten Videos und Statement entkräften hätten können.
Seit einigen Jahren wird diese Form der Cyberkriminalität in Südkorea besonders streng bestraft, sodass es sehr verwundert, dass der Streamer hierauf nicht vorbereitet war.
Der Anwalt Somalis erklärte lediglich, dass sein Mandant gar nicht wisse, wie ein solcher Deepfake generiert werde und er dadurch automatisch unschuldig sei. Auf die Entgegnung der Gegenseite, dass er sich dennoch der Verbreitung schuldig machen würde, konnte er wiederum nur antworten, dass Somali bei der Weiterverbreitung des Bildmaterials betrunken war.
Das Gesetz sieht in diesem Fall allerdings keine Unterscheidung vor und bestraft die Erstellung solcher Inhalte genauso wie deren Verbreitung – und das natürlich auch völlig unabhängig davon, ob der Täter betrunken war oder nicht.
Prozess wird im Oktober fortgesetzt
Als Somalis Anwalt daraufhin darum bat, die Zeugen dieses Vorfalls zunächst nicht zuzulassen und dann die Verhörzeit zu verlängern, wurden beide Anträge abgelehnt und der Prozess wie geplant fortgeführt.
Am Ende wurde festgelegt, dass die Anhörung am 2. Oktober fortgeführt werden würde und unter anderem die Opfer seiner Deepfakes verhört werden würden – ob sich Somali und sein Anwalt aber zumindest diesmal darauf vorbereiten werden, ist fraglich...