Bin ich zu alt für Counter-Strike & Co.? Der Einfluss des Alters auf die Videospiel-Performance

Manch einer fragt sich, ob es im Alter noch Sinn macht, mit kompetitiven Shootern anzufangen. Schließlich sind wir im Kopf sowie physisch nicht mehr so schnell wie die Jungspunde – oder etwa doch?

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Stellt uns das Älterwerden beim Zocken ein Bein? | © EarlyGame/Open AI

Wenn ihr schon eine Weile keine Shooter mehr gespielt oder noch nie welche angerührt habt, mag der Gedanke an einen (Wieder-)Einstieg einschüchternd wirken. Schließlich geht es dabei um schnelle Reaktionszeit, ad hoc-Entscheidungsfindung und kognitive sowie motorische Fähigkeiten. Da ich meinen allerersten Shooter selbst mit 26 angefangen habe, hat mich das Thema interessiert – also entschied ich schließlich, etwas tiefer in die Materie einzutauchen.

Gaming und das Alter: Können Erwachsene in Shootern noch mithalten?

Die kurze Antwort ist: ja. Die längere Antwort lautet wie folgt:

Ein entscheidender Faktor ist, ob man bereits in jungen Jahren Shooter-Erfahrung gesammelt hat. In jungen Jahren lernt es sich bekanntlich leichter; und wer bereits im jugendlichen Alter ausgiebig Shooter gezockt hat, hat einen großen Vorteil, da die jeweiligen Gehirn-Areale bereits "trainiert" wurden. Falls man also später nochmal mit einem Shooter beginnen will, können diese Areale leichter reaktiviert und abgerufen werden.

Wer hingegen beispielsweise erst mit 40 Jahren das erste Mal ein Spiel wie Counter-Strike oder Valorant oder Call of Duty spielt, wird es deutlich schwerer haben, da man erstmal alle Grundlagen erlernen muss und es sich generell nicht mehr so spielend leicht lernt. Andererseits verlieren wir mit dem Alter jedoch nicht unsere Lernfähigkeit an sich. Sie ist nur langsamer als bei Kindern und Teenagern.

Wer spät das Fußballspielen anfängt, wird wohl kein Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo mehr, kann aber mit viel Training trotzdem noch ein sehr guter Kicker werden. Und analog dazu: Wer erst sehr spät das Zocken anfängt, wird wohl nicht der nächste Faker, doch man kann es mit entsprechender Übung und Leidenschaft definitiv auf ein hohes Level bringen!

Solange ihr also nicht darauf aus seid, die allerhöchsten Ränge in dem Spiel zu erreichen, braucht ihr keine Angst zu haben, nicht wettbewerbsfähig zu sein. Es ist nie zu spät für eine Freizeitbeschäftigung und ob sie Spaß macht, findet ihr nur heraus, wenn ihr sie ausprobiert.

Reaktionszeit: Treffen wir unsere Entscheidungen mit höherem Alter langsamer?

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Wie sehr hindern uns langsamere Reaktionszeiten? | © EarlyGame/Open AI

Geht es um Gaming im Alter, kommt oft schnell das Thema Reaktionszeit auf. Die Behauptung: Ältere Gamer können nicht mehr so schnell reagieren wie jüngere. Aber was ist wirklich dran?

Forschende des Instituts für Psychologie der Universität Heidelberg haben eine Online-Studie durchgeführt, die die Reaktionszeit und mentale Verarbeitungsgeschwindigkeit in den Fokus rückte. Es wurden Datensätze von etwa 1,2 Millionen Teilnehmern ausgewertet, die 10-80 Jahre alt waren. Die Stichprobe ist also repräsentativ und aussagekräftig.

Zuvor wurde angenommen, dass die mentale Geschwindigkeit (die Zeit, die wir brauchen, um äußere Reize zu verarbeiten und zu einer Entscheidung zu kommen) ab dem 20. Lebensjahr abnimmt. Dies wurde mit der Studie widerlegt. Genaueres könnt ihr hier nachlesen.

Das Ergebnis: Die motorischen Reaktionszeiten nehmen zwar mit fortschreitendem Alter zu, doch die mentale Verarbeitungsgeschwindigkeit bleibt vom 20. bis zum 60. Lebensjahr weitgehend konstant! Erst ab dem 60. Lebensjahr wurde hier ein signifikanter Rückgang festgestellt.

Ein sehr gutes Zeichen also für uns, denn bei Shootern ist das decision making, also dieEntscheidungsfindung, eine der zentralen Fähigkeiten; und selbst die theoretisch schnellste motorische Reaktionszeit hilft wenig, wenn die Entscheidung, was zu tun ist, zu lange dauert. Doch wie ist das jetzt mit der Reaktionszeit? Reagieren wir trotz schneller Entscheidungsfindung danach so langsam, dass der Gegner uns in Zeitlupe sieht?

Reaktionszeiten mit zunehmendem Alter

Betrachten wir einen Artikel, der im Journal Of Neurophysiology veröffentlicht wurde. Hier mussten die Probanden für eine Studie einen Mauszeiger auf ein Ziel auf ihrem Bildschirm bewegen, zeitgleich mit einem Ton. Dabei wurde die Reaktionszeit und Genauigkeit (die mit unserer Hand-Auge-Koordination zusammenhängt) gemessen.

Das Ergebnis zeigte, dass die Reaktionszeit ab 20-24 Jahren 2-6 Millisekunden pro Jahrzehnt abnimmt, also eine sehr geringe Rate. Für Gelegenheitsspieler ist dies fast unbedeutend.

Nun zu der Genauigkeit. Durch die Studie konnte man sehen, dass diese im Durchschnitt mit dem Alter zwar ebenfalls abnimmt, doch gab es auch hier Probanden, bei denen die Genauigkeit weiterhin hoch war.

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Im Durchschnitt hatten die Probanden mit 20 Jahren eine Genauigkeit von 97 % und mit 80 Jahren 86 % Genauigkeit. | © Journal Of Neurophysiology

In der Grafik wurden die Ergebnisse von Teilnehmern im Alter von 20 bis 80 Jahren ausgewertet. Die Ergebnisse verschlechtern sich ab dem 40. Lebensjahr. Wenn wir jedoch genauer hinschauen, hängt die Präzisionsfähigkeit wahrscheinlich davon ab, ob die Hand-Auge-Koordination eines über 40-jährigen Probanden bereits im Vorhinein mal trainiert wurde oder nicht.

Klar, früher gab es keine Shooter-Spiele und sie gewannen erst ab den 90er-Jahren an Popularität. Doch auch Volleyball oder Tennis trainieren beispielsweise diesen Bereich des Gehirns. Zudem kann man sehr schnell Fortschritte erzielen, sobald man anfängt, die jeweiligen Gehirn-Areale zu beanspruchen.

Jedenfalls können wir hier ableiten, dass wir sogar mit 80 Jahren noch ziemlich gute Leistungen erbringen können; insbesondere dann, wenn wir schon in jungen Jahren aktiv gespielt haben.

Erfahrungsvorsprung als Trumpf

Dieser Abschnitt richtet sich eher an diejenigen, die bereits seit längerer Zeit Shooter-Erfahrung haben, allerdings Bedenken bezüglich nachlassender Reflexe haben. Wie wir oben festgestellt haben, ist der Rückgang nicht so dramatisch, dass es zur Chancenlosigkeit führt, wenn man jetzt nicht gerade im hochprofessionellen Bereich spielt.

Ein Vorteil, den ältere Spiele gegenüber jüngeren haben, ist die Erfahrung. Je nach Spiel ist die Strategie und die sogenannte game sense (die Fähigkeit, richtige Vorhersagen und Entscheidungen anhand gegebener Informationen zu treffen) sogar wichtiger als das Zielen selbst; ältere Spieler mit langjähriger Shooter-Erfahrung können jüngere Gegner oft besser überlisten.

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Ange1 (Kyrylo Karasjov) Der 34-jährige Ingame Leader von NaVi | © Natus Vincere

Nicht umsonst sind die IGLs (Ingame-Leader) in professionellen Esport-Teams auch oft mal die ältesten Spieler in den Teams, da sie die meiste Erfahrung mitbringen. Etwa karrigan (1990 geboren), der IGL von FaZe Clan in der CS:GO Esports-Szene oder Ange1 (1989 geboren), der IGL von NaVi in dem Spiel Valorant. Sie treten teilweise gegen 17-jährige Spieler an und koordinieren während des Spielens auch noch ihr ganzes Team! Auch hier bietet sich der Fußballvergleich an: Viele Top-Vereine setzen auf einen Mix aus Jugend und Erfahrung, um zum Erfolg zu kommen.

Shooter setzen zwar ein Mindestalter, doch keinesfalls ein maximales Alter voraus

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Die Silver Snipers. Ein CS:GO Team | © Lenovo Silver Snipers

Falls ihr es noch nicht wusstet: Counter-Strike hat sogar eine Senioren-Liga, in der 60- bis 80-jährige Spieler auf LAN-Events gegeneinander antreten.

Ein bekanntes Team sind die Silver Snipers, deren Teammitglieder es auf eine ungefähre KD von 1,0 schaffen. Sie können also mit den jungen Spielern ziemlich gut mithalten, obwohl solche Spiele in ihrer Jugend nicht ein mal existierten. Sie tragen auch den ein oder anderen passenden ingame-Namen, etwa "Teen Slayer".

Also ich persönlich sehe mich da auch später!

Wie lange braucht man, um in ein Shooter-Spiel reinzukommen?

Nach meiner eigenen Erfahrung und der Erfahrung vieler Spieler, die sie in Foren kundgetan haben, braucht man etwa 100 Stunden, bis die in dem Zusammenhang oft erwähnte "muscle memory" anfängt sich zu entwickeln.

Das heißt, du fängst nach und nach an, die mechanischen und strategischen Grundlagen zu verinnerlichen und deine kognitiven Fähigkeiten (Hand-Auge-Koordination) auszubauen.

Nach etwa 500-1.000 Stunden geht dir das Spiel wortwörtlich leicht von der Hand und du musst nicht mehr allzu viel nachdenken, wenn du mehrere Dinge auf einmal in dem Shooter ausführen musst. Du bekommst ein Gespür dafür, wie du die Maus in deiner Hand bewegen musst, um das Ziel präzise zu treffen.

Wie gut du tatsächlich werden kannst, hängt von deiner Herangehensweise und deiner persönlichen Motivation ab. Es gibt sogar Anwendungen, die deine Zielfähigkeit trainieren, wie etwa Aimlabs.

Fazit

Aus motorischer Sicht mögen junge Gamer gegenüber älteren Spielern einen Vorteil haben - der fällt in der Praxis aber oft nur sehr bedingt ins Gewicht. Insbesondere, wenn für dich der Spielspaß und nicht ein Immortal-Ranking im Vordergrund steht, solltest du dich nie zu alt für ein Videospiel fühlen.

Auch dann nicht, wenn du früher überhaupt nicht gezockt hast - denn wie bei so vielem, was man neu anfängt, gilt auch beim Gaming: Übung macht den Meister!

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Ina Zukina

Ina ist ein Teil des EarlyGame Content-Team und zockt aktuell vor allem Valorant und das ein oder andere MMO, um der Nostalgie willen. Sie schreibt über verschiedene Themen von MMOs bis Esports und ist überall auf der Website zu finden....