Der Aufstieg und Fall des Stefan Raab
Intro
Stefan Raab ist vermutlich einer der größten Entertainer, die Deutschland zu bieten hat – oder war es zumindest. Insbesondere in den 90ern und 2000ern prägte er das deutsche Fernsehen wie kein zweiter, und fast alles, was er anfasste, verwandelte sich in pures Unterhaltungs-Gold. Entsprechend war sein Rückzug aus der Öffentlichkeit für viele eine große Überraschung, gefolgt von der noch größeren Überraschung seines Comebacks auf RTL in den letzten Monaten, das jedoch sowohl wirtschaftlich als auch auf kreativer Ebene eher kritisch betrachtet wird.
Deshalb werfen wir heute einen Blick auf das Leben und die Karriere der TV-Legende Stefan Raab (und wie es überhaupt dazu kommen konnte, wo er heute steht). | © Raab Entertainment / RTL
Kindheit und Jugend
20. Oktober, 1966: ein kleiner Junge namens Stefan erblickt in Köln das Licht der Welt und wächst mit seiner Schwester auf – die Eltern betreiben eine Metzgerei. Als Schüler war er Ministrant, doch seine wirkliche Leidenschaft für Musik begann mit zwölf Jahren, als er von seinem Vater sein allererstes Instrument geschenkt bekommt: ein Schlagzeug. Darauf folgt eine beeindruckende Reihe weiterer Instrumente, die zu spielen er sich selbst beibringt, unter anderem Gitarre, Ukulele und Bass, aber auch Keyboard und Akkordeon und sogar Blasinstrumente wie das Saxophon sind nicht vor Raab sicher. Und das, obwohl er laut eigener Aussage gar keine Noten lesen kann. Den musikalischen Respekt, den er sich im Erwachsenenalter verdienen würde, hat er sich also doppelt und dreifach verdient. | © imago
Ausbildung
Raabs frühes Erwachsenenleben klingt in den ersten beiden Schritten nach ziemlichem Standard der damaligen Zeit: 1986 Abitur abgeschlossen, dann erst einmal Grundwehrdienst. Doch schon dann zeigt sich Raabs Ehrgeiz und Fleiß, denn er beginnt gleichzeitig ein Rechtswissenschaftsstudium, während er parallel im Metzgerbetrieb seines Vaters eine Ausbildung absolviert. Studiert hat er zwar nur fünf Semester, doch die Metzgerlehre schloss er 1990 sogar als Bezirksbester ab, was nur umso beeindruckender ist, da er beides gleichzeitig jonglierte. | © Airam Dato-on via Pexels
Einstieg ins Musikbusiness
Nach dem gutbürgerlichen Fundament samt Ausbildung startet Raab 1990 ins Kreativgeschäft ein und macht sich als Produzent von Werbejingles selbstständig, produziert in dieser Zeit Spots für die Talkshows Bärbel Schäfer und Veronas Welt, aber auch für das ARD-Morgenmagazin und den Zahnpastahersteller Blend-a-med. Gleichzeitig geht aber auch das Musikbusiness, unter dem sich die meisten etwas mehr vorstellen können, bereits los, und er produzierte beispielsweise für Die Prinzen Musik, während er gleichzeitig seinen Musikverlag Roof Groove Musikverlag Stefan Raab und sein Label RARE aufbaut. Raabs Vernetzung als Musikproduzent und Komponist wächst mit den ersten Alben, die er veröffentlicht. | © Raab Entertainment
VIVA und Vivasion
Vor die Kamera geht es für Raab dann 1993 auf VIVA – eigentlich wollte er nur seine Programmjingles an denn Mann bringen, wurde nach einem Casting dann aber zum Moderator der Sendung Vivasion erkoren und war fünf Jahre lang das Gesicht der Show. Auch seine zweite Musiksendung auf VIVA folgte zwei Jahre später mit Ma' kuck'n. Während dieser Zeit im Musikfernsehen entwickelte sich zusehends der heute typische, leicht anarchische Humor und Raab wurde zum Kultgesicht der 90er, wenn es ums Musikfernsehen ging. | © VIVA
Hits und ESC-Erfolge
Raab moderiert während dieser Zeit nicht nur Musiksendungen und stellt die Werke anderer vor, sondern präsentiert auch seine eigenen Songs, die zum Teil auch in den deutschen Charts Anklang fanden. Der damalige deutsche Bundestrainer Berti Vogts durfte sich über Raabs "Böörti Böörti Vogts" freuen (Platz 4 der deutschen Hitparade!), dem folgten das Cover von "Ein Bett im Kornfeld" gemeinsam mit Bürger Lars Dietrich und Jürgen Drews sowie "Hier kommt die Maus" anlässlich des 25. Geburtstags der wohl bekanntesten, wissenshungrigen Maus, was ihm sogar eine Goldene Schallplatte einbrachte. 1997 gabs dann noch einen Echo als bester nationaler Produzent für das Album "Schlimmer Finger" oben drauf.
Mit dem von ihm geschrieben Song (unter dem Pseudonym "Alf Igel") trat Guildo Horn beim Eurovision Song Contest auf und holte mit "Guildo hat euch lieb!" sogar Platz 7 von 25 – deutlich besser als so manch anderer deutsche Beitrag beim ESC. Dass das nicht sein größter Erfolg beim ESC bleiben sollte, konnte damals vermutlich nicht einmal Raab selbst ahnen. | © Raab Entertainment
ProSieben & TV total
Wir schreiben nun das Jahr 1999 und ein Kapitel deutscher Fernsehgeschichte beginnt: Raab beginnt auf ProSieben mit "TV total", erst auf wöchentlicher Basis, dann sogar viermal die Woche und gilt wohl bis heute als eine der kultigsten Late-Night-Shows der deutschen Fernsehlandschaft. Verschiedene Unterkategorien und Einspieler, die Raab häufiger nutzte, sind noch immer tief ins kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation eingebrannt: Wer könnte jemals "Ingrids Woche und Klaus" vergessen? Punkt ist: wer die letzte Folge von TV total während dieser goldenen Zeit verpasst hatte, konnte am folgenden Tag auf dem Schulhof oder in der Kaffeeküche einfach nicht mitreden.
Fast nebenbei kam sein eigener Beitrag beim ESC mit "Wadde hadde dudde da?", sahnte gut ab und Raab selbst belegte im Jahr 2000 Platz 5. Doch das war immer noch nicht sein größter Erfolg beim ESC...
Eventshows & das deutsche ESC-Comeback
Zeitgleich bewies Raab auch, dass er mehr konnte als hinter einem fahrbaren Schreibtisch zu sitzen und das Allgemeinwissen von Erstwählern zu veralbern, und startete einige der größten Eventshows dieser Zeit, die teilweise immer absurder wurden. Wir hatten die Wok-WM, gut, Nischensport, aber noch in Ordnung. TV total Turmspringen? Beeindruckend, was Promis, die man eigentlich in anderen Kontexten kennt, da auf dem Sprungbrett hinkriegen. Stock Car Crash Challenge? Ein Spektakel, wer liebt keine zerbeulten Autos? Und spätestens beim Autoball wusste man: Egal, was Raab anfasst, es wird einfach zu Gold.
Das bewies er auch mit diversen Castingshows, die anfangs perfekte Abkürzungen hatten: bei SSDSDSSWEMUGABRTLAD ("Stefan sucht den Superstar, der singen soll, was er möchte und gerne auch bei RTL auftreten darf", sehr einfach zu merken, was habt ihr denn alle?) entdeckte er zum Beispiel Stefanie Heinzmann, doch ein wahres musikalisches Märchen spielte sich mit seiner Show "Unser Star für Oslo" ab: Lena Meyer-Landrut gewinnt als absolute Newcomerin das Format, fliegt nach Oslo zum ESC, und räumt auf ganzer Linie ab. Für alle, die den Auftritt nochmal erleben wollen, hier gehts lang, ich helfe gerne. | © ARD
Schlag den Raab und Rückzug
Sein erfolgreichstes Format, nämlich "Schlag den Raab", bei dem er immer wieder unter Beweis stellt, dass er sich auch den absurdesten Herausforderungen mit einer Hingabe und einem Ehrgeiz stellt, die seinesgleichen suchen, läuft in dieser Zeit ebenfalls auf Hochtouren. Was er damit auch beweist: Wie lange eine Show zu gehen hat und wie lange der Sendeplatz gebucht ist, ist für Raab mehr ein loser Vorschlag, vielleicht eine nette Empfehlung von ProSieben, aber nichts, was in Stein gemeißelt ist. Jede Sendung, die nach "Schlag den Raab" im Programm stand, konnte sich schon einmal davon verabschieden, wirklich gezeigt zu werden. Viele Ausgaben der Show zogen sich bis in die frühen Morgenstunden, denn nicht nur Raab legte sich ordentlich ins Zeug, sondern auch seine Kandidaten kämpften mit allem was sie hatten um den Sieg (und einen Batzen Kohle). 38 von 54 Duellen konnte Raab übrigens für sich entscheiden – das entspricht einer Siegesquote von 70%. Respekt!
Dann, 2015, ein Schock für viele: Raab zieht sich zurück. "Schlag den Raab" wird zu "Schlag den Star," "Schlag den Henssler" oder "Schlag den Besten," und auch "TV total" kehrt er den Rücken zu. Stefan Raab beendet seine Karriere als Moderator. | © ProSieben
Der Mann hinter der Kamera
Selbst vor der Kamera zu stehen ist nichts mehr für Stefan Raab, doch als Produzent im Hintergrund bleibt er der TV-Welt erhalten. RaabTV (bzw. Brainpool/Banijay) produziert weiterhin Shows wie "Schlag den Star" und all seine Ableger, doch selbst zeigt sich Raab nicht mehr in der Öffentlichkeit. Stattdessen zieht er ein zurückgezogenes Leben mit seiner Familie, das er – zurecht – konsequent schützt. Bis 2024 hört man kaum etwas von Raab. | © Joyn
RTL Comeback
Ähnlich wie die Überraschung seines Rückzugs aus der Öffentlichkeit kam sein Comeback für viele: Mit einem 90-Millionen-Deal kehrt er zurück, doch nicht mehr zu ProSieben, sondern zu RTL. Insbesondere der Senderwechsel kam für viele aus heiterem Himmel, waren es doch oft RTL-Formate, die er bei "TV total" auf die Schippe nahm. Die 90 Millionen beziehen sich auf das Produktionsvolumen, mit dem RTL Raab Entertainment bei der Umsetzung von Formaten über mehrere Jahre unterstützt.
Bisher scheint die Rechnung jedoch nicht wirklich aufzugehen, kritische Stimmen werden laut, Zuschauerzahlen lassen zu wünschen übrig. | © RTL
Der Untergang einer Legende
Die Erwartungshaltung an eine Legende wie Raab war unheimlich hoch, und seit 2024 gehen verschiedene Formate an den Start. Die erste davon war "Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab" und sollte das Zugpferd für RTL und RTL+ werden, und an die Formate der Vergangenheit anknüpfen: die Mischung aus Quiz, Gameshow und dem typischen Raab-Humor hatte schon einmal funktioniert, wieso also nicht noch einmal? Die Einschaltquoten blieben jedoch niedrig und deutlich hinter den Erwartungen zurück, auch weitere Formate wie "Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli" oder weitere ESC-bezogene Shows bringen zwar hin und wieder Aufmerksamkeit, aber keine Quote – eine Katastrophe in der Fernsehwelt. Selbst intern soll der Frust bei RTL wachsen, anonyme Stimmen werden laut und sprechen von einer "angeheizten Stimmung" bei RTL, da Raab viel koste, aber nur schwache Einschaltquoten einfahre, während gleichzeitig an anderen Enden gespart werden müsse.
Im September 2025 geht "Die Stefan Raab Show" an den Start, und das sollte seine Königsdisziplin sein: eine gute alte Late-Night-Show, die besonders Fans von "TV total" gefallen sollte, und der Auftakt lief tatsächlich bemerkenswert gut für RTL. Doch mit der ein oder anderen kritischen Passage (ein Scherz über Frank-Walter Steinmeier, der gar nicht gut ankam oder auch ein Auftritt, der garantiert nicht jugendfrei war) kamen auch immer weiter sinkende Einschaltquoten.
Immer häufiger liest man nun in Kommentaren, ob Stefan sich an etwas klammere, das in der heutigen Zeit einfach nicht mehr funktioniert. Die relevante Zielgruppe der 14-49-Jährigen ist entweder im Internet unterwegs oder bevorzugt Streaming-Services, wodurch die eine Frage wieder mehr in den Fokus rückt: Stirbt das Fernsehen langsam aus? Auch die Wirtschaftlichkeit des gesamten Deals wird immer öfter infrage gestellt.
Doch was denkt ihr? Panikmache und Raab muss erst seinen Groove bei RTL finden, und ein "Fall des Stefan Raab" ist völlig überzogen? Oder seid ihr eher Team "Stefan, man sollte gehen, wenns am schönsten ist, und das hast du eigentlich vor zehn Jahren getan..."? Lasst es uns in den Kommentaren wissen! | © RTL
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