Streamer werfen einen Truthahn in eine Gruppe schreiender Menschen und sind damit leider kein Einzelfall.
Ein Thanksgiving-Stream der Influencer RaKai und DeShae zeigt, dass einige Contentcreator längst den Bezug dazu verloren haben, wie hilflose Lebewesen unter ihrer zwanghaften Suche nach immer neuem Entertainment leiden müssen.
Opfer der eigenen Unterhaltung
In den Streams namhafter Onlinegrößen zählt es inzwischen zum guten Ton, nicht mehr nur alleine vor der Kamera zu stehen, sondern auch entsprechende Gäste zu präsentieren, die größere Aufmerksamkeit auf die Live-Übertragung ziehen sollen.
Während andere Prominente diese Auftritte meist wohl im Zuge einer Partnerschaft oder eines entsprechenden Deals über sich ergehen lassen, sorgt gerade das Ausnutzen von Kindern oder Tieren für das Farmen von Klicks immer wieder für Kritik und Gesprächsstoff.
Ein Vorfall aus jüngster Vergangenheit dreht sich dabei um die Streamer RaKai und DeShae die erneut eine Debatte darüber entfachten, wie weit Creator bereit sind zu gehen, um Views zu generieren, denn im Zuge eines Thanksgiving-Streams zerrten sie einen lebendigen Truthahn vor die Kamera.
Truthahn mit Truthahnfleisch gefüttert?
Das Tier wurde gegen seinen Willen zum Mittelpunkt einer merkwürdigen Show, die stark zwischen Unterhaltung und Schockwirkung schwankte. Immer wieder versuchte der Vogel, sich zu verstecken, wurde von den Streamern dann wieder in die Mitte einer großen Gruppe schreiender Menschen geworfen und mit Kameras bedrängt. Ein Beteiliger schreit immer wieder: "Tötet ihn! Tötet ihn!" während andere ihm jedes Versteck nehmen, unter welches er sich flüchten will. Beim Versuch, unter einem Tisch Schutz zu suchen, wurde das Tier dann sogar mit dem gebratenen Schenkel eines anderen Truthahns konfrontiert.
Zahlreiche Zuschauer reagierten empört und warfen den Streamern vor, ein Tier für Reichweite auszunutzen. Jemand schrieb:
Der Truthahn tut mir leid. Jeder normale Mensch erkennt, dass er Angst hat, dieser schreienden Meute ist das komplett egal.
Ein anderer wirft den Streamern vor, den Vogel zum Kannibalismus zu drängen:
Wieso wirft man ihm eine Truthahnkeule hin? Soll er seinen eigenen Kumpel essen?!
Die Kritik basierte nicht nur darauf, dass ein Tier aus seinem Umfeld gerissen und Stress ausgesetzt wurde, sondern auch daran, dass der Umgang damit keinerlei Respekt oder Sensibilität erkennen ließ. Für viele wirkte es, als sei der Truthahn ein Requisit – ein Gegenstand, der allein dazu diente, die Situation viral gehen zu lassen.
Streamer droht Hund live Genick zu brechen
Derartiger unbedachter Umgang mit Lebewesen, der die eigene Followerzahl anheben soll, ist leider keineswegs ein Einzelfall.
Immer wieder geraten Streamer und Influencer in die Kritik, wenn sie Tiere für Contentzwecke missbrauchen oder in unangemessenen Situationen einsetzen. Bereits 2019 riefen Tierschutzorganisationen Plattformen wie Twitch und YouTube dazu auf, härter gegen Creator vorzugehen, die Tiere schädigen oder ihnen Stress zufügen, nachdem mehrere Fälle viral geworden waren – darunter ein Streamer, der vor laufender Kamera seinem eigenen Hund drohte, ihm das Genick zu brechen.
Der Kern des Problems ist stets derselbe: Tiere werden zum Instrument. Sie dienen als Werkzeug für Entertainment, ihr Wohlbefinden tritt in den Hintergrund. Die breite Masse scheint die Problematik dabei kaum wahrzunehmen – sie reagieren nach dem simplen Schema, dass ein niedliches Tier zu sehen, für sie selbst ein positives Erlebnis darstellt, ohne sich im Klaren darüber zu sein, wie es dem Tier selbst gerade ergehen mag.
Viele Zuschauer und Tierschutzorganisationen warnen davor, dass solche Inhalte Tierquälerei normalisieren könnten. Je häufiger Tiere in Streams als Requisiten dienen, desto größer ist das Risiko, dass solche Darstellungen Nachahmer motivieren – besonders, da viele Creator eine junge, beeinflussbare Zielgruppe haben. Die Verantwortung, die Streamer und Influencer damit tragen, wird oft verkannt. Wenn Millionen Menschen zusehen, sendet jeder Umgang mit einem Tier eine Botschaft, ob bewusst oder unbewusst.
Befürworter blind für Tierleid?
Ein bedrückendes Beispiel hierfür war der Fall Hasan Pikers, der in seinem Stream ein verbotenes Schockhalsband nutzte, um seine Hündin ruhigzustellen. Während es zwar durchaus einen Aufschrei und viel Kritik um das Thema gab, fanden sich auch genügen Piker-Befürworter, die versuchten, die Situation herunterzuspielen.
Dabei verhielten sich Zuschauer und Kollegen, die Piker unterstützten wollten, in ihrer Argumentation ähnlich wie im Zuge der Veganismus-Debatte: Statt die eigenen Ansichten und das eigene Verhalten zu hinterfragen, betreibt man den größtmöglichen, kognitiven Spagat, um Argumente zu finden, die für die eigene Position sprechen.
So "argumentieren" Gegner veganer Ernährung mit absurden Einwenden wie der Sorge, dass es zu einer Überpopulation von Kühen und Hühnern kommen könnte, wenn man diese nicht mehr esse, oder dass ein Löwe ja auch Fleisch fresse, während die Piker-Supporter etwa davon sprachen, dass man dem Tier psychisch schade, wenn man die grauenvolle, auf Elektroschocks basierende “Erziehung” plötzlich abbrechen würde.
Können strengere Streamer-Regeln helfen?
Auch der Fall von RaKai und DeShae zeigt beispielhaft, wie sehr die Mechanismen der digitalen Aufmerksamkeitsspirale dazu verleiten können, moralische Grenzen zu überschreiten. Der Druck, ständig neue, spektakuläre Inhalte zu produzieren, führt dazu, dass manche Creator bereit sind, Risiken einzugehen – manchmal auf Kosten von Lebewesen, die sich nicht wehren können.
Viele Beobachter fordern daher stärkere Regeln seitens der Plattformen: klare Richtlinien, die den Einsatz von Tieren streng begrenzen, sowie konsequente Sanktionen bei Missbrauch oder fahrlässigem Verhalten. Nur wenn solche Vorfälle klare Konsequenzen haben, kann verhindert werden, dass Tiere weiterhin als Mittel zum Zweck dienen.