Wie ein Cartoon von 2022 den Umsatz einer Firma im dritten Quartal 2025 nicht wesentlich beeinflusst hat.
Dass Kundinnen und Kunden ihre Unterstützung für bestimmte Produkte von der wahrgenommenen ideologischen Ausrichtung eines Unternehmens oder dessen Schöpfer abhängig machen, ist zwar kein neues Phänomen, doch der Trend hat sich durch das Mobilisierungspotenzial großer Social-Media-Plattformen deutlich beschleunigt.
Eines der jüngsten und prominentesten Beispiele dafür war ein Boykottaufruf gegen Netflix durch den US-Milliardär Elon Musk am 19. September 2025. Hintergrund war die Kritik an einer Kinderserie auf der Streamingplattform, in der eine transgeschlechtliche Figur vorkommt. Neuere Berichte zeigen jedoch, dass Netflix von diesen Boykottaufrufen weitgehend unbeeindruckt blieb.
Der Cartoon und der Milliardär
Die Boykottaufrufe entstanden, nachdem die rechtsgerichtete US-Influencerin Chaya Raichik am 19. September 2025 auf ihrem Social-Media-Account „Libs of TikTok“ per X/Twitter einen Clip aus der Animationsserie Dead End: Paranormal Park (produziert 2022, basierend auf einem Roman von 2018) veröffentlichte und die Serie dafür verurteilte, dass sie eine transgeschlechtliche Hauptfigur zeige. Am selben Tag teilte Elon Musk den Beitrag, verstärkte damit seine Reichweite und rief seine Follower auf, ihre Netflix-Abos zu kündigen.
Sein Post, der mehrere Millionen Aufrufe verzeichnete, löste eine Welle ähnlicher Reaktionen anderer rechtsgerichteter Influencer aus, die Netflix beschuldigten, Serien zu fördern, in denen sexuelle und ethnische Minderheiten überrepräsentiert seien – pauschal unter der Bezeichnung „woke“ zusammengefasst. Kritiker verbreiteten Clips weiterer Serien der Plattform und behaupteten, diese würde für junge Zuschauer unangemessene LGBTQ+-Themen behandeln.
Der Aktienkurs von Netflix fiel um etwa 2% nach Beginn der Online-Kampagne, auch wenn ein direkter kausaler Zusammenhang nur schwer nachweisbar ist. Bis zum 9. Oktober erholte sich der Kurs wieder auf das vorherige Monatshoch. Unterdessen erhielt Dead End-Schöpfer Hamish Steele online persönliche Hassbotschaften, nachdem ihm angebliche ältere Posts mit kontroversen politischen Inhalten zugeschrieben worden waren.
(Un)glückliche Umstände
Die Boykottaufrufe hatten insofern keinen nennenswerten finanziellen Effekt, als dass Netflix weiterhin starkes Umsatzwachstum und hohe Nutzeraktivität verzeichnete. Da die Debatte um den angemessenen Umgang mit Transpersonen seit den 2020ern in den USA deutlich polarisierter ist als in anderen Ländern, sah sich das internationale Netflix-Publikum offenbar in einem geringeren Maße dazu veranlasst, auf die dort geäußerten Vorwürfe zu reagieren.
Gleichzeitig trugen prominente neue Exklusivveröffentlichungen wie die zweite Staffel von Wednesday und KPop Demon Hunters zusammen mit dem inzwischen teilweise werbefinanzierten Abo-Modell weiter zum Wachstum bei. Der Gesamtumsatz soll laut Prognosen um über 17% im Jahresvergleich steigen, womit sich zentrale Geschäftsbereiche von Netflix als – angesichts der Branchentrends – besonders widerstandfähig erweisen würden.
Die Kontroverse um LGBTQ+-Inhalte war somit wohl eher eine begrenzt wirksame, kulturelle Momentaufnahme als eine strukturelle Bedrohung des Geschäfts. Da Unternehmensführung und Aktionäre zumindest kurzfristig keine Gefahr für den Marktwert sahen, ließen sie auf die Boykottaufrufe kaum Taten folgen. Zudem ging das Thema im kurzlebigen Social-Media-Nachrichtenzyklus schnell wieder unter.
Doch was ist eure Meinung? War der Boykott einfach schlecht organisiert – mit zu zentraler Führung und ohne klare Forderungen? Oder war er aufgrund seiner Thematik schon von vornherein zum Scheitern verurteilt? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!