Mehr Cringe wagen: Papaplatte und die „hängengebliebenen Opfer“

Wenn Cringe der Kunst im Wege steht.

Papaplatte streamer
Über seine diversen Accounts hinweg erreicht der Streamer ein Millionenpublikum | © Kevin Teller

Es ist im Online- und Offline-Diskurs vor allem unter jüngeren Altersgruppen inzwischen gleichermaßen Urteil und Totschlagargument geworden: Aus der Jugendsprache sind „Cringe“ und die damit einhergehende Einstellung gegenüber den eigenen Mitmenschen kaum mehr wegzudenken.

Dabei ist die – mit der Verwendung des Worts intendierte – öffentliche Bekanntgabe, eine Aktion, ein Werk oder auch Personen insgesamt als fremdschamerregend zu empfinden, meist ein Abwehrmechanismus. Dieser sei allerdings in den meisten Fällen unangebracht, monierte kürzlich Twitch-Streamer Papaplatte gegenüber seinem Live-Publikum.

Eine persönliche Geschichte

Dabei ist der Streamer, unter anderem bekannt für seine eigene prägende Rolle in der heutigen Jugendsprache, bezeichnenderweise selbst niemand, welcher vor dem Gebrauch der Bezeichnung zurückschrecken würde. Im Rahmen seiner Videoinhalte kommentiert er meist entweder das Geschehen in einem Videospiel oder Inhalte anderer Content Creator.

Dort ist es dann keine Seltenheit, dass Papaplatte bestimmte Aussagen lachend als „mega cringe“ abtut, wobei ihm in vielen Fällen die Zustimmung seiner Zuschauer gewiss ist. Zumindest war dies bislang der Fall, doch als der Streamer während einer kürzlich live übertragenen Runde Minecraft die negativen Rückmeldungen zu einem Song las, welcher im Hintergrund spielte, schien ihm der Geduldsfaden zu reißen. Man solle dem Sänger zugestehen, sich auch neu auszuprobieren:

„Ihr dürft niemals solche hängengebliebenen Opfer sein, die wirklich... ihre Lebenszeit damit verschwenden, Bro, dass sie alles ultra cringe finden und... äh... alles ist scheiße [...] und aktiv irgendwo hinzuschreiben, es ist scheiße, Bro.“ – Papaplatte

Eine öffentliche Veränderung

Damit ist Papaplatte nur einer von Vielen, welche ein Voranschreiten der Cringe-Kultur von einzelnen Sachgebieten auf das komplette Internet sowie auf das echte Leben feststellen. Das Muster, bei dem als peinlich geltende Äußerungen oder Auftritte als „cringe“ bezeichnet und somit mit einem sozialen Etikett versehen werden, könnte ernste Konsequenzen nach sich ziehen.

Zum einen wäre da die Normalisierung von Spott und öffentlicher Zurschaustellung, welche dafür sorgen, dass vor allem Jüngere ihr Verhalten gezielt anpassen – laut einer Erhebung ändern 43% der 13- bis 39-Jährigen ihr Social-Media-Posting, um nicht „cringy“ zu wirken. Mehr Mobbing und Stress sind die Folge.

In der Rezeption beschreiben Medien- und Kulturbeobachter zudem einen Wandel vom ehrlichen Fremdscham zur sanktionierenden Praxis: Persönliche Projekte in der Medienwelt und im Alltag werden immer häufig zynisch präsentiert und der investierte Aufwand wird herabgespielt, um nicht „cringe“ zu wirken, wodurch das Endergebnis an Authentizität einbüßt.

Doch was ist eure Meinung? Konntet ihr ähnliche Prozesse in eurem Alltag feststellen? Oder möchte sich Papaplatte als Influencer mit dieser Forderung nur selbst vor allzu negativem Feedback schützen? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!

Adrian Gerlach

Adrian ist fasziniert von Games aller Alters- und Qualitätsklassen. Zeitmangel bereitet ihm diese Interessensvielfalt trotzdem nicht; man kann ja im Schlaf weiter träumen....