Wir werfen einen Blick hinter den Paulaner Garten und finden heraus, was eines der wohl ersten deutschen Memes überhaupt mit Badeenten, Hitler und Käpt'n Blaubär zu tun hat.

Woran hat es jelegen? Was ist mit Karsten los? Haben wir noch Pepps? Die Welt der Memes ist eine Welt der unbeantworteten Fragen. Zeit, einige davon zu erklären!
Denn auch wenn wir direkt wissen, was man uns sagen will, wenn “Forza fertig runtergeladen” ist oder jemand “Alaaarm” schlägt, was genau hinter diesen Memes steckt, ist nicht immer klar. Darum ist es an der Zeit, einen Blick hinter den Paulaner Garten zu werfen und die Ursprünge der beliebtesten deutschen Memes zu erkunden.
Adolf – Die Nazi-Sau
Im Zuge dieser Reihe widmen wir uns immer wieder den Hintergründen und Ursprüngen deutscher Memes – doch wo genau fing die hiesige Memekultur allgemein an? Es ist gut möglich, dass dieses Video eines der allerersten dieser Art war und es involviert ausgerechnet das Schreckgespenst der deutschen Geschichte.
Versetzen wir uns zurück in eine Zeit, in der man Videos oft noch per Mail verschickte statt über Social Media, um sie anderen zu zeigen. Zu der Zeit war es durchaus vorstellbar, dass man von Freunden eine Nachricht erhielt, in der ein Link zu der damals noch existierenden Plattform MyVideo führte und die zu folgendem Clip führte.
Vor einem Sternenhimmel samt großer Suchscheinwerfer eine Schrift, die an Schreibmaschinentexte erinnern sollte, zu lesen und gleichzeitig zu hören:
Berlin, 30. April 1945. Die Welt brennt, Deutschland liegt in Asche und Japan geht es auch nicht mehr so gut. Aber einer lässt sich nicht unterkriegen.
Als dann Reagge-Töne erklingen und der Sprecher erwähnt, dass im Führerbunker noch Licht brenne, startet ein mindestens so kultiges, wie humoristisch fragwürdiges Video.
Eine animierte Cartoon-Version Adolf Hitlers sitzt nackt auf der Toilette und singt davon, dass er in seinem Bunker mitten in Berlin hocke, Blausäurekapseln und Benzin da hätte und der zweite Weltkrieg ihm keinen Spaß mehr mache.
Er fährt fort, singt davon, dass ihm nur noch Hund Blondie geblieben wäre und die Bomberflugzeuge der Alliierten nerven würden, bis ihm im Spiegel ein Chor aus kleineren Hitlerköpfen und später ein paar Badeenten entgegensingen:
Adolf, du alte Nazisau, kapitulier doch endlich!
Ob man Witze mit oder über einen, wenn nicht sogar den schlimmsten Menschen der Geschichte unterhaltsam findet oder nicht, gesehen haben dürften das Video damals wohl die meisten zumindest einmal.
Wer genau dahintersteckte und was Käpt’n Blaubär damit zu tun hat, wissen heute aber vielleicht deutlich weniger.
Wie der Vater von Käpt'n Blaubär Hitler in seinen Bonker steckte
Sind wir ehrlich: MyVideo war niemals eine wirkliche Konkurrenz für YouTube und dennoch spielte die Plattform hierzulande eine ganze Zeit lang eine wichtige Rolle. Sie konnte zwar mit weitaus weniger Inhalt glänzen, doch genau das sorgte dafür, dass einzelne Videos eine wesentlich größere Chance hatten, ein großes Publikum zu erreichen. So auch “Adolf – Ich hock’ in meinem Bonker”.
Auch wenn die Seite selbst nicht mehr existiert, ist davon auszugehen, dass das Video um 2006 herum dort hochgeladen wurde und der Originalupload auf MyVideo und YouTube insgesamt über 3,5 Millionen Aufrufe erzielen konnte. Die Parodie erfreute sich extremer Beliebtheit und wurde von Leuten per Mail an Freunde weitergesendet, die Bezeichnung "Bonker" zum geflügelten Wort in den anfänglichen deutschen Meme-Kreisen. Doch der Clip machte auch nicht vor dem Mainstream halt: Das Musikvideo war sogar auf MTV zu sehen und landete auf Platz 56 der deutschen Singlecharts.
Seinen Ursprung fand diese Cartoonvariante Hitlers im Satiremagazin Titanic. Walter Moers, der unter anderem bekannt für seine Figuren und Comics über “Das kleine A********” und “Käpt’n Blaubär” ist, zeichnete 1997 eine zweiseitige Kurzgeschichte, in der sie erstmals auftauchte.
Nur ein Jahr später folgte ein vollständiger Comicband mit dem Titel “Adolf. Äch bin wieder da!!” und zwei Fortsetzungen in den Jahren 1999 und 2006.
Letzterem Buch, das weniger eine Comicsammlung als ein illustriertes Theaterstück war, lag eine DVD bei, die das Video “Adolf – Ich hock’ in meinem Bonker” enthielt. Die Animationen stammten von Trickfilmer Felix Gönnert und basierten auf eigens dafür hergestellten Tonfiguren, Stimme und Gesang von Kabarettist und Liedermacher Thomas Pigor, der sich bei der Umsetzung exakt an Moers Schreibstil hielt.
Ursprünglich war der Clip sogar als ein Teasertrailer für einen potenziellen Film gedacht und sollte veranschaulichen, dass die Zeichnungen Moers, die zuvor nur in 2D-Form verfilmt worden waren, auch als 3D-Animation funktionieren würden.
Mensch oder Monster?
Nach der Veröffentlichung auf YouTube gab es viel Beifall für die gelungene Parodie, allerdings auch einige kritische Stimmen, die vor einer Bagatellisierung der Verbrechen des dritten Reichs sprachen.
Auf die Kritik, Moers würde Hitler durch den Clip vermenschlichen, antwortete er in einem Interview:
Adolf Hitler war nun mal ein Mensch. Er ging aufs Klo und wahrscheinlich auch manchmal in die Badewanne. Ich weiß, dass die Menschheit es mit ihm vielleicht einfach gehabt hätte, wenn er der Teufel oder ein Außerirdischer gewesen wäre. Aber er gehört nun mal zur Familie, so unangenehm das auch sein mag. Gefährlich ist die Dämonisierung, die ihn zur Kultfigur für Neonazis werden ließ. Hätte man Hitler schon zu Lebzeiten mal nackt gesehen, wäre alles vielleicht nicht so weit gekommen.
Ob man die Kritik am Clip nun für berechtigt hält oder Walther Moers hier zustimmt, in jedem Fall handelt es sich wohl nicht nur um eines der allerersten, sondern auch eines der politischsten, aufwendigsten und kontroversesten deutschen Memes überhaupt.
Natürlich handelt es sich dabei aber ganz gewiss nicht um das letzte deutsche Meme – es gibt noch unzählige mehr, und wir gehen ihren Ursprüngen auf den Grund. Egal ob ihr wissen wollt, ob Jürgen Hurensson nun wirklich Norweger war, was der Mann aus dem "I daut it!"-Clip mit einer Kunst-App zu tun hat oder wie es dazu kommen konnte, dass Moneyboy tatsächlich "Einfach Orangensaft" verkaufte – wir haben für euch alle G'schichten hinterm Paulaner Garten hervorgekramt.